TBHB 1943-12-25
Einführung
Der Artikel TBHB 1943-12-25 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 25. Dezember 1943. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
[1] Gott sei Dank, daß der hl. Abend nun vorüber ist. Der Betrieb in der Bu Stu war in der letzten Zeit unbeschreiblich. Es ergab sich, daß die ausgebombten Großstädter dankbar waren für die viele Mühe, die Martha sich gegeben hatte, jedem etwas zukommen zu lassen, während die Einheimischen, besonders diejenigen, welche in guten Verhältnissen leben, anspruchsvoll waren u. nicht genug hatten, größtenteils sich nicht einmal bedankten.
Am späten Nachmittag war endlich die letzte Kundin bedient. Trude machte uns eine Tasse Bohnenkaffee. Den Baum hatte ich gleich nach dem Mittagessen geschmückt. Wir saßen noch beim Kaffeetisch, als Gretl Neumann kam u. uns in einem Korb zwei Schüsseln brachte, deren eine zwei ordentliche Stücke Puter enthielt, die andere Sauerkraut. Trude hatte Kartoffelsalat gemacht, den wir eigentlich [2] als einziges Gericht essen wollten. Gretl N. brachte auch noch eine Flasche Weißwein aus ihrem Korb hervor. Auf diese Art hatten wir ein prächtiges Abendessen u. es ging uns nicht so wie im vorigen Jahre, wo wir am hl. Abend buchstäblich nichts zu essen hatten. Wir brauchten die Sachen von Gretl N. nur aufzuwärmen u. es war wirklich eine große Freude. – Nach dem Essen bauten wir uns unsere kleinen Geschenke auf. Frau Lehment hatte einen Korb mit Aepfeln geschickt u. zwei Flaschen Schnaps, Frau Schmidt-Isserstädt eine Radierung von Hans Maid, Kurt Spangenberg erschien mit einer Flasche Wein u. einem sehr netten Foto von sich selbst. Immerhin waren wir so müde, daß wir vergaßen, den Weihnachtsbaum anzuzünden, was wir dann nachholten. Wir löschten ihn aber bald wieder aus, weil Pfr. Dobczynski am 3. Feiertag bei uns eine hl. Messe lesen will u. wir wollen den Baum bei dieser Gelegenheit noch einmal brennen. Außerdem schlief Martha angesichts des brennenden Baumes in ihrem Stuhl sanft ein, – die Arme war furchtbar überanstrengt. – Von Rewoldt-Niehagen bekamen wir ein Huhn u. wir beschlossen, dasselbe an den Nachbar Papenhagen weiter zu schenken, denn wir wußten, daß es dort an Essen fehlt. Wir haben damit denn auch große Freude ausgelöst.
Ich hatte im Keller noch eine Flasche Burgunder liegen, die ich Nachmittags schon warm gestellt hatte. Am Abend haben wir sie getrunken, die letzte ihrer Art. Dann fiel uns ein, daß Frau Monheim doch Andeutungen gemacht hatte, daß sie uns etwas schenken wollte, – aber es war nirgends etwas zu sehen. Schließlich fiel mir ein, daß sie ja am Vormittag im Laden war u. mir gesagt hatte, daß sie für uns etwas in der Diele unter der Madonna abgestellt hätte. Ich ging hin u. fand dort auf der Bank einen großen verdeckten, recht schweren Korb, den ich dann rauf brachte. Wir packten ihn aus u. es zeigte sich, daß er eine Fülle von Kostbarkeiten enthielt. Schokolade, Marzipan, Kakao, Kaffee usw., – wir staunten, was da alles darin war.
Nachher lasen wir eingegangene Briefe, meist recht traurige Dokumente des schlimmen Kriegsgeschehens aus Berlin. So schrieb Rena Bluhm u. Kurts Frau Anneliese, die davon berichtete, daß beim letzten Angriff ihr Nachbarhaus abgebrannt sei u. daß es den vereinten Anstrengungen der Bewohner gelungen sei, das eigene Haus zu retten. Es ist eben schrecklich, was da überall geschieht u. man kann dazu nichts weiter mehr sagen. – Martha wurde schließlich so müde, daß sie ins Bett gehen mußte. Ich blieb allein auf bis 12 Uhr, weil ich hoffte, im Radio irgendwo eine Mitternachtsmesse zu hören, was aber leider nicht gelang. Ich probierte es bis 1/2 1 Uhr ergebnislos. –
Heute Morgen frühstückten wir feiertäglich mit Bohnenkaffee u. einem Ei, Weißbrot, Butter u. Honig. Später kamen Trude u. Agnes Borchers-Papenhagen, beide sehr glücklich über die Geschenke, die sie bekommen haben. Trude brachte Butter u. eine Wurst von den Eltern.