Textdaten
Autor: Hans Brass
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: TBHB 1943-11-07
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1943
Erscheinungsdatum: Vorlage:none
Verlag: Vorlage:none
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel: Sonntag, 7. November 1943.
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 7. November 1943
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


Einführung

Der Artikel TBHB 1943-11-07 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 7. November 1943. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Sonntag, 7. November 1943.     

[1]      Freitag abend waren wir bei Frau Monheim, die Geburtstag hatte u. ganz allein in ihrem Hause saß, d.h. ohne ihre Tochter Ingrid, die z. Zt. in Berlin beim Vater ist, solange die Schwester Helene, die in Abwesenheit von Frau M. den Haushalt dort führt, auf Urlaub ist. Hier bei Frau M. sind nur ihre beiden Jungens Berni u. Herbert. Dieser letztere ist an einer Grippe kank. Außerdem hat sie noch ein Hausmädchen, welches sich aber die Füße verbrüht hat u. daher z. Zt. ziemlich arbeitsunfähig ist. – Der Abend brachte es mit sich, daß Frau M., – von mir etwas gezwungen, von Ingrid sprach. Dieses arme Mädchen, die, wie ich jetzt hörte, 20 Jahre alt ist, – ich hatte sie bisher für 17 – 18 Jahre gehalten – ist auf dem Parkett im Hause ausgeglitten, als sie 4 Jahre alt war. Dabei hat sie sich die Hüfte gebrochen. Niemand ist zunächst auf einen solchen Gedanken gekommen. Dadurch ist der Bruch schlecht verheilt u. daher rührt die Verkürzung des Beines. Das arme Kind hat 10 Jahre lang im Bett liegen müssen. Man hat ihr diese qualvollen Streckverbände gemacht wie ich sie nach meinem Autounfall erleben mußte, u. die Gipsverbände bis an die Hüften hinauf. Auch diese Qual habe ich erlebt. Aber bei ihr hat das alles 10 Jahre gedauert u. es hat dazu eine Rückgratverkrümmung u. sonstige Folgen gegeben. Dabei hat das Kind nicht einen Tag in einer Klinik gelegen, sondern ist immer von der Mutter u. dieser Schw. Helene betreut worden. Es muß eine große Qual gewesen sein u. die Mutter sprach mit bebender Stimme davon. Da sie sonst niemals darüber spricht, war dieses Gespräch eine neue innige Verbindung zwischen uns u. dieser prächtigen Frau, die dieses Erleben in tiefem religiösem Gefühl durchlebt. – Leider konnte sie wegen Herberts Erkankung u. der noch nicht vollen Arbeitsfähigkeit ihres Mädchens auch heute noch nicht an unserer Andacht teilnehmen [2] u. da auch sonst niemand kam, hielt ich meine kleine Predigt zum nachgeholten Allerheiligenfest nur vor Martha u. vor Trude. Es fehlt doch sehr, wenn man keine Zuhörer hat.

     Von Hildegard Wegscheider bekamen wir einen überaus herzlichen Dankesbrief für das, was wir an ihrem Enkel Jens tun. Dieser Brief beschämte uns, denn so viel ist es ja garnicht.

     Gestern Vormittag Besuch von Frau Smith, die nun erfahren hatte, daß ich inzwischen mit dem Konvertiten-Unterricht an Marianne Clemens u. ihre Mutter begonnen habe. Sie glaubte nun wohl, den Mangel an Eifer bisher wieder gut machen zu müssen u. entschuldigte sich mit allerhand Dingen. Sie brachte ein Körbchen mit einigen Aepfeln, Tomaten u. Blumen mit u. bat, nun auch Unterricht zu bekommen. Leider kann sie aber wegen ihrer Kurzsichtigkeit Abends nicht kommen sie fürchtet den Weg in der Dunkelheit, was wohl auch zu verstehen ist. Es bleibt also nichts weiter übrig, als noch einen zweiten Unterricht zu veranstalten. Sie will nun jeden Dienstag um 11 Uhr erscheinen. –

     Heute Nachmittag wollen Krappmanns kommen, um über die Wiederaufnahme des Religionsunterrichtes mit mir zu sprechen. Es muß das sehr vorsichtig geschehen u. ich werde nur noch die drei Jungens Jens, Lothar Krappmann u. den kleinen Reinhard Clemens zulassen, damit möglichst nicht neues Geklatsche entsteht. – Vielleicht fange ich morgen wieder an.

     Die Moskauer Konferenz hat anscheinend unter den vereinten Nationen einen neuen Auftrieb verursacht. Man will nun diesen Krieg zu einem raschen Ende bringen. Stalin hat eine Rede gehalten, in der er von der zweiten Front gesprochen hat. Er hat von der Front in Italien gesprochen u. hat von ihr gesagt, daß sie zwar keine zweite Front sei, aber doch wenigstens etwas Aehnliches. Fortfahrend hat er dann gesagt, daß die zweite Front Deutschland erledigen würde. Er sagte damit also, daß eine solche Erledigung Deutschlands von Italien her nicht zu erwarten sei, daß das aber durch eine zweite Front von Westen her geschehen würde. Da man von einer raschen Beendigung des Krieges gesprochen hat, ergibt sich, daß die Invasion von Westen her nun wirklich beschlossene Sache ist, zumal Churchill selbst vor einigen Wochen sagte, daß er die Front in Italien nicht als zweite Front betrachte. – Vor einigen Tagen wurde von unserer Seite gesagt, daß das Gebiet von Skagerak für die freie Durchfahrt Schwedens gesperrt worden sei. Ich nehme darum an, daß die Engländer wie im ersten Weltkriege den Plan haben, von dort her die Einfahrt in die Ostsee zu erzwingen. Damals scheiterte dieser Pan durch die Seeschlacht von Skagerak, doch dürften heute die Voraussetzungen dafür eher gegeben sein. Eine Landung in Dänemark müßte wohl möglich sein. Solche Landungsmanöver sind in diesem Kriege ja schon oft durchgeführt worden u. es hat sich gezeigt, daß sie heute bei der starken Luftunterstützung nicht mehr gar so schwierig sind. Erst jetzt eben erst haben die Russen das wieder bewiesen, indem sie bei Kertsch gelandet sind u. indem es uns nicht gelungen ist, eine Landung zu verhindern. Nachdem die Russen die Krim im Norden abgeriegelt u. das ganze linke Dnjeprufer bis zur Mündung besetzt haben, bahnen sich dort böse Sachen an. Zwar ist es uns gelungen, die drohende Einkesselung von Krivoi Rog her zu verhindern; aber das scheint mir nur ein Augenblicks-Erfolg zu sein, der keine Dauer haben wird, nachdem von den Armeen Mansteins nicht mehr allzuviel übrig geblieben sein dürfte. Daß wir diese Armeen besonders bei Krivoi-Rog auf Kosten anderer Frontstellen verstärkt haben, scheint [3] daraus hervorzugehen, daß die Russen gestern die Erstürmung von Kiew gemeldet haben. Diese Stadt hatte unter allen Umständen gehalten werden müssen, aber man hat es eben nicht mehr gekonnt. Die dort abgezogenen Truppen haben bei Krivoi-Rog zwar einen Augenblicks-Erfolg errungen, indem sie die Einkesselung des ganzen Dnjeprbogens verhinderten, jedoch wird diese Katastrophe auf die Dauer nicht zu verhindern sein. Und Herr Dr. Goebbels schreibt unentwegt von der Gewissheit unseres Sieges, u. die übrigen Zeitungen tun dasselbe, während Herr Himmler alle Menschen hinrichten läßt, die auch nur den geringsten Zweifel an diesem Siege äußern. Es ist z. Zt. in Deutschland lebensgefährlich, ein Wort zu sprechen.