Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1943-04-08
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Entstehungsdatum: 1943
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Originaltitel: Donnerstag, 8. Apr. 1943.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 8. April 1943
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Einführung

Der Artikel TBHB 1943-04-08 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 8. April 1943. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Donnerstag, 8. Apr. 1943.     

[1]      Kaltes, stürmisches Wetter, gestern Schnee bei Ostwind, heute Nord-West, aber trocken. Bereitete gestern trotz des Wetters Stiefmütterchenbeet vor, weil ich Planzen bekommen sollte, aber sie kamen nicht. Sonst läßt sich im Garten nichts tun. Ich warte auf Stauden für den Steingarten, die ich von Hinrichs aus Kröpelin bekommen soll.

     Nach dem Heeresbericht haben die Amerikaner ihre Offensive gegen Rommels neue Stellungen nördlich Gabes wieder aufgenommen. Es ist nie zugegeben worden, daß Rommel seine Stellungen südlich Gabes aufgegeben hat, – plötzlich ist jetzt von nördlich Gabes die Rede. Auch diese Stellung wird Rommel nicht halten können, – dieser arme, tüchtige General sitzt da furchtbar in der Klemme, ohne Bewegungsmöglichkeit, – es ist nur noch eine Belagerung. Erstaunlich ist, wie diese Amerikaner, die doch sonst kaum eine nennenswerte Armee haben, in kurzer Zeit Millionenarmeen aufstellen können, man begreift nicht, woher sie plötzlich die vielen Offiziere haben, die sie dazu brauchen. Natürlich fehlt ihnen die Kriegserfahrung u. ein deutscher Soldat ist so viel wert wie fünf Amerikaner, aber das Wesentliche ist eben, daß sie in der Lage sind, diesem einen deutschen Soldaten fünf amerikanischen entgegenzustellen. –

     Die Engländer verwenden ihre Mußestunden, um Städte wie Paris, Rotterdam u. Amsterdam zu bombardieren. Paris haben sie am letzten Sonntag am hellen Tage bombardiert u. den Rennplatz Longchamps getroffen, wo eben ein Rennen stattfand, sowie einen anderen Sportplatz, wo grade eine Volksversammlung stattfand. Mehrere Hundert Tote sind die Opfer. In Rotterdam (oder Amsterdam ?) haben sie eine Volksschule getroffen, wobei 180 Kinder ums Leben gekommen [2] sind u. gestern hieß es, daß beim Angriff auf Amsterdam mehr als 2000 Tote zu verzeichnen seien. Das sind Brutalitäten, die zum Himmel schreien.

     Hier im Dorf ist jetzt auch eine Luftschutzwache eingerichtet worden. In der Nacht vom 16. zum 17. April soll ich dafür Dienst tun. Es ist das ein großer Quatsch, denn ein Fliegeralarm ist bei uns ja völlig zwecklos, weil kein Mensch einen Keller hat, außer einigen Villen, die etwas höher liegen, wie die unsrige, – u. dieser Keller bietet fast keinen Schutz, vor allem nicht gegen Gas. Ein Alarm hat höchstens den Sinn, daß die Leute auf Brandbomben aufpassen; aber neben meinem Hause liegen, außer dem Geschäftshaus der Bunten Stube, das mit Stroh gedeckt ist u. aus einem großen Holzanbau besteht, noch zwei strohgedeckte Häuser, die im Winter unbewohnt sind. Es ist ganz unmöglich, auf diese Häuser auch noch mit aufzupassen u. wenn sie abbrennen, dann brennen wir bestimmt mit ab.

     Gestern sah ich in der DAZ. ein Bild Hitlers wie er dem Chef der italienischen Armee an der Ostfront das Ritterkreuz übergibt. Sehr auffallend ist sein schlechtes Aussehen, besonders die immer mehr zunehmende Krümmung seines Rückens. Das fiel um so mehr auf, weil der vor ihm stehende Italiener eine besonders große u. soldatische Figur hatte. Bei Hitler kann man schon von einer deutlich erkennbaren, beginnenden Rückgratverkrümmung sprechen. –

     Ich habe mich damit beschäftigt, für Fritzen's Hochzeit Gedichte zu machen. Ein Gedicht soll ein kleines Mädchen aufsagen, welches am Polterabend der Braut den Kranz u. den Schleier übergeben soll, – ein zweites sollen Trude Dade u. Kurti Spangenberg gemeinsam aufsagen, u. ein drittes enthält meine u. Martha's Glückwünsche u. ich werde es selbst vorlesen. Alle drei Gedichte sind sehr nett geworden, ich bin selbst darüber erstaunt, denn ich habe in meinem Leben noch nie dergleichen gemacht. –

     Abends lese ich Pfandl vor: Karl II. – Wir sind bald damit fertig. Vorher hatten wir Philipp II vom selben Verfasser gelesen. Der Niedergang dieses großen Reiches ist sehr erschütternd, besonders, da er sich vollzieht unter gradezu albern anmutenden Vorgängen in diesem Königshause u. in der Aristokratie dieses Landes. Wenn man diese Dinge liest, erkennt man die innere Fäulnis, an der das ganze, christliche Abendland anscheinend von Anfang an gelitten hat. Die furchtbaren Vorgänge beim Zusammenbruch Roms in der Völkerwanderung, die in dem Buche von Paskoaes: „Hieronymus“ spürbar werden, setzen sich in Spanien fort und wirken fort bis auf den heutigen Tag. Die Zustände in der kathol. Kirche die zur Reformation u. dann zum dreißigjährigen Kriege führten, sind genau dieselben, die unsere heutige Katastrophe herbeigeführt haben. Alles das läßt sich mühelos auf den einen einzigen Nenner bringen: Sünde! –

     In der gegenwärtigen Fastenzeit verwenden wir die Sonntag=Abende, um den Kreuzweg zu gehen, wobei uns ein Buch: „Der Kreuzweg“ von Reinhold Schneider, erschienen im Alsatia=Verlag in Kolmar, treffliche Dienste leistet. Ohne irgendwie politisch zu sein, ist dieser Kreuzweg doch ganz aus der Not der Gegenwart erfaßt. Schneider sagt im Vorwort: „Der Weg, den wir gegangen sind nach unserem eigenen eigensinnigen Willen, ist zu Ende: dies ist sein Ziel, seine von uns nicht gekannte Bestimmung gewesen, daß er auf den Kreuzweg des Herrn trifft. So hat es die Gnade gefügt.“ –