TBHB 1943-03-14
Einführung
Der Artikel TBHB 1943-03-14 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 14. März 1943. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.
Tagebuchauszüge
[1] Fortwährendes warmes Frühlingswetter, sodaß man schon im Garten einiges tun kann. Im Vorjahre herrschte um diese Zeit noch starker Frost u. der Schnee lag so hoch, daß der Verkehr lahmgelegt war. –
Draußen ist heller, klarer Mondschein u. die englischen Flugzeuge brummen unaufhörlich über uns. –
Frau K. ist aus Berlin hier u. erzählt schlimme Dinge, wie es dort seit dem letzten Fliegerangriff Anfang dieses Monats aussehen soll. Kurz vorher war Essen bombardiert u. jetzt schon wieder. Es ist schauerlich. Pfarrer Dobczynski aus Barth schreibt mir von der schweren Verwundung seines Bruders, der als Kompaniechef vor Leningrad lag. Gesicht, Arme u. Beine zerfetzt. Man hofft, wenigstens ein Auge zu erhalten. Und den Pfarrer selbst hat man vor etwa einem Jahre einfach verhaftet, ohne Angabe von Gründen in das Gefängnis nach Stralsund verschleppt u. nach vier Wochen ebenso ohne Angabe von Gründen wieder entlassen. „Als Erziehungsmaßnahme“, sagt man. Neuerdings sind wieder fünf Geistliche in Pommern verhaftet worden. –
Es gehen allerhand Gerüchte. Ein berühmter schwedischer Gehirnspezialist ist nach Königsberg gerufen worden. – Sauerbruch ist von Berlin abgereist. – Attentat auf Hitler! – Was daran wahr ist, weiß natürlich kein Mensch, – die Leute erzählen es auf der Dorfstraße. Tatsache ist, daß eigentlich heute „Heldengedenktag“ sein sollte, derselbe ist aber plötzlich auf nächsten Sonntag verlegt worden. –
Vormittags Besuch von Mett aus Born. Zum Thema: „Arbeitseinsatz“ erzählte er, daß die Frau des Forstmeisters für 4 Wochen zur Erholung in die Alpen gereist sei, während ihr Haushalt von vier Dienstboten versorgt wird. Der Arbeitseinsatz kommt also auch für diese Familie nicht in Frage, denn der Forstmeister ist als Jagdherr natürlich der gute Freund [2] von Herrn Himmler, Lorenz, Goering usw. Rücksichtsloser Arbeitseinsatz gilt eben nur für uns. – Dem alten Bauern Paetow haben sie jetzt den letzten Sohn genommen, einen Knecht hat er nicht. Frühjahrsbestellung ist also unmöglich. Am Dienstag soll der einzige Fuhrmann des Dorfes, der die Lebensmittel u. a. Frachten von Ribnitz hierher holt, nach Stralsund zur Musterung. Der Mann ist, glaube ich, 52 Jahre alt. Wenn dieser Mann eingezogen wird, dann werden wir weder Frachten noch Lebensmittel mehr bekommen. Seine Pferde sind zwar so wie so schon halb verhungert, aber der Forstmeister hat acht Pferde in Sundische Wiese stehen. -
Nachmittags war Herr Maßmann aus Prerow hier, – auf einem ganz neuen Motorrad. Er ist stellvertretender Amtsvorsteher, da der richtige endlich zum Militär eingezogen worden ist, nachdem er es bisher gut verstanden hat, sich zu drücken. –
Mit Frau Oberin Gertrud van Beck in Bln. telephoniert. Sie wohnt in Südende u. erzählte am Telephon von dem fürchterlichen Bombardement. Es hat überall gebrannt, – in ihrem Hause konnte eine Brandbombe noch rechtzeitig gelöscht werden.
Rektor Dutemeyer aus Müritz schreibt, daß der junge Erbe seines väterlichen Hofes in Stalingrad gefallen ist.
Die Kinder Seeberg u. von Paepke sind hier eingetroffen aus Berlin, die Wohnungen der Eltern sind zerstört. – Und über uns kreisen die schweren Bomber. Es ist ein peinliches Gefühl, zu wissen, daß jeder von ihnen Bomben von 2 – 4 Centner Schwere bei sich hat. –
Wjasma haben wir geräumt, angeblich zur weiteren Frontverkürzung, was wohl stimmen mag. Im Süden haben wir Charkow zurückerobert, wenigstens teilweise, – aber damit scheint auch unsere Gegenoffensive wieder stecken zu bleiben. Zunächst ist damit aber eine neue Stalingrad=Katastrophe bei Taganrog abgewehrt worden. –
Gestern Abend Besuch von Frau Line Ristow, die einen Probedruck der Hochzeitsanzeige für Fritz u. Margret mitbrachte. Sehr gut gedruckt, aber auch meine Zeichnung ist sehr gut. Ich freue mich, daß mir so etwas doch noch sehr gelingt.
Von Hilde Vollers aus Hamburg Nachricht, daß sie die Trauringe machen will. Habe ihr gestern das nötige Gold geschickt. – Solche Ringe dürfen nur 333 Gold haben u. nicht schwerer als 7 gr. sein. Der Grund dazu ist unbegreiflich, da man ja doch selber das Gold liefern muß, – u. wenn man mehr hat, so wird doch niemand geschädigt. Goering aber schenkt einer Sängerin, die zu seinem Geburtstag singt, ein schweres, goldenes Armband mit Brillanten! – Man fühlt das Abgleiten fast körperlich. –
Neuerdings werden Einheimische mit Gewehren u. Armbinden ausgerüstet als „Landwacht“, – was das heißen soll, weiß niemand. Man sagt, es seien Gefangene ausgerückt; aber was sollen die hier? [3] Pfarrer D. schreibt übrigens wörtlich: „In den letzten Wochen sind wieder viele Priester verschwunden, in Stettin allein fünf!