Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1943-01-19
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Entstehungsdatum: 1943
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Originaltitel: Dienstag, 19. Januar 1943.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 19. Januar 1943
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Einführung

Der Artikel TBHB 1943-01-19 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 19. Januar 1943. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Dienstag, 19. Januar 1943.     

[1]      Martha geht's noch nicht besser. Ich bin in Sorge, weil es nicht dieselben Kopfschmerzen sind, unter denen sie ja öfter zu leiden hat. Am Sonntag Abend, als die engl. Flieger über uns waren, fiel mir auf, daß ihr Gesicht sehr rot war. Ich führte es auf die Nervenaufregung zurück. Wir gingen dann bald schlafen. Am Montag war anscheinend alles wieder gut, erst am Nachmittag nach Erichsons Besuch klagte sie wieder über Kopfweh. Ich schickte sie gleich wieder in's Bett. Heute früh blieb sie liegen. Sie sieht schlecht aus u. klagt über ein Pochen im Kopf, im Scheitel. Ich habe ihr kalte, nasse Socken angezogen, darüber Wollsocken, früher hat das manchmal gut geholfen, denn es zieht das Blut vom Kopf ab.

     Vormittags an Marthas Vetter, Carl Ernst Wendt, Pastor in der Nähe von Stettin, geschrieben. Ich kenne ihn nicht, aber er hat uns vor einiger Zeit einen verspäteten, aber überaus sympathischen Brief zu unserer Verehelichung geschrieben. Er muß ein sehr frommer Mann sein, der ein christliches Hauswesen führt nach Art der ersten Reformatoren.

     Nachts hatte ich einen Traum, der mich so bewegte, daß ich davon erwachte. Ich war, wie ich es oft träume, in einer großen, fremden Stadt [2] ging teils darin umher, teils fuhr ich mit der Straßenbahn. Das Besondere aber war, daß ich ein Cigarrengeschäft betrat u. dort in einem Zimmer vor einem Holzaltar kniete, auf dem aber keine Altartücher lagen, u. vom Geschäftsinhaber die hl. Kommunion gereicht erhielt, zugleich auch ein Stückchen gewöhnliches Brot. Gleich danach erwachte ich.

     Fritz schreibt heute, daß seine Frontbuchhandlung in St. Quentin nach Toulouse verlegt werden soll, man hat ihm das gesagt, als er vor einigen Tagen in Paris bei seiner vorgesetzten Dienststelle war. Er hat gebeten, daß er vorher auf Urlaub fahren darf u. so erwarten wir ihn nun bald. In Toulouse soll er noch zwei Hilfskräfte bekommen, während er jetzt allein ist u. einen Vertreter brauchte, wenn er auf Urlaub fuhr. Man hat ihm in Paris gesagt, daß das jetzt nicht nötig wäre, er solle die Buchhandlung ruhig schließen. Nach dem Urlaub wird er dann alle Bücher einpacken u. nach Toulouse bringen müssen, – es sind etwa 25000 Bände, – eine große Arbeit, die Zeit beanspruchen wird. Die Neueinrichtung in Toulouse wird auch viel Zeit in Anspruch nehmen u. ich hoffe, daß er dadurch der Gefahr entgeht, nach dem Osten zu kommen, wo es immer böser aussieht. Unser Heeresbericht gibt jetzt zum ersten Male wenigstens indirekt zu, daß die Armee bei Stalingrad eingeschlossen ist, denn es heißt, daß die Armee sich gegen die von allen Seiten her angreifenden Russen wehren müsse, d.h. also, daß sie auch vom Rücken angegriffen wird. Das setzt aber voraus, daß die Russen sowohl vom Norden wie vom Süden den Don in sehr breiter Front überschritten haben u. mithin der ganze große Donbogen, den wir im Sommer in verlustreichen Kämpfen erobert hatten, wieder verloren ist. Daraus kann man schließen, daß Rostow bedroht ist, – sollte auch diese Stadt wieder verloren gehen, so ist damit die ganze Kaukasusfront abgeschnitten u. wahrscheinlich verloren. Aus verschiedenen Anzeichen ist zu entnehmen, daß die Russen den Don auch südlich Woronesch überschritten haben u. ziemlich weit vorgedrungen sind, sodaß unsere Nord=Süd=Verbindungen mindestens beinträchtigt sind, die übrigens westlich von Wilikije Luki weiter im Norden so wie so schon durchschnitten sein müssen. Wilikije Luki liegt nicht weit von der Lettischen Grenze, ein weiteres Vorrücken der Russen dort bedroht den Rückzug der ganzen bei Petersburg bis zum Ihnensee kämpfenden Armee. Das sind sehr düstere Ausblicke.

     In Afrika wird Rommel von der 8. Armee hart bedrängt u. er muß sich immer mehr auf Tripolis zurückziehen. Nur die Amerikaner tun in Tunis anscheinend garnichts. Sie stehen dort nun bald ein Vierteljahr, ohne bisher irgend etwas gegen Tunis unternommen zu haben. Wenn man aber die riesigen Entfernungen von Casablanka aus bedenkt, so scheint es verständlich, daß sie viel Zeit brauchen, um eine Etappenstraße auszubauen, ohne die sie eine Offensive nicht beginnen können. Wenn sie damit fertig sein werden, wird eine [3] Offensive wahrscheinlich schlagartig u. mit großer Gewalt eröffnet werden u. daß diese Erfolg haben wird, daran kann kein vernünftiger Mensch zweifeln. Zweifelhaft ist freilich, von wo aus der Versuch gemacht werden wird, nach Europa herüber zu kommen. Südfrankreich wird dafür kaum in Frage kommen, vielleicht nicht einmal Italien, sondern der Balkan, von wo aus dann unsere ganze Ostfront vom Rücken her gefaßt werden kann, vor allem Rumänien. Mit dem Verlust der dortigen Oelfelder wäre der Krieg für uns absolut verloren. Ein solcher Plan würde nicht der Genialität ermangeln.