Sylvesternacht (Lavant)
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Sylvesternacht
Alte, gute Bräuche schwinden,
Neuer Zeiten Spiel und Raub,
Wie dahin in Herbsteswinden
Weht das dürre Laub.
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Du nur, lust’ger Freund Sylvester,Bist zu sterben nicht so schnell,
Alter, zäher, wetterfester,
Rüstiger Gesell!
Wie sie vor zweihundert Jahren
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Fleißig bechernd dich durchwacht,Hält man heute noch in Schaaren
Zechend „freie Nacht“,
Liest aus krausen Bleigestalten
Seiner Mädchenzukunft Loos,
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Zaubert durch der Träume WaltenGold in seinen Schooß.
Kleine ros’ge Engel wohnen
In der heißen, würz’gen Flut,
Doch auch tückische Dämonen
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Prüfen deinen Muth,Heute wie zur Zeit der Ahnen,
Grau und dämmerweit ―
Und die Glockenschläge mahnen
An die Flucht der Zeit.
R.L.