Suniten und Schiiten
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Suniten und Schiiten.
In einem ähnlichen Verhältnisse wie unter den Bekennern des Christenthums die Protestanten den Katholiken, stehen unter den Mahommedanern bekanntlich die Schiiten den Suniten gegenüber: beide glauben an die göttliche Sendung des Propheten und an sein im Koran niedergelegtes Gesetz; die Schiiten läugnen aber die Rechtmäßigkeit der drei ersten Khalifen, Abubekr, Omar und Osman und ihrer Nachfolger, und verwerfen die Tratitionen, die auf der Autorität dieser Khalifen beruhen. – Die Perser, die, obwohl rings von Suniten umgeben – den Osmanen, Arabern, Afghanen und Turkomanen – sich zum Schiismus bekennen, erzählen von einem ihrer Lehrern des Gesetzes, er sey mit vier Lehrern der orthodoxen Secten zu einer Versammlung berufen worden, um zu entscheiden, ob Sultan Khodah-bundah, der Urenkel des Dschengiskhan, ein Weib zurücknehmen dürfe, das er dreimal verstoßen hatte, ohne dem von der Suna vorgeschriebenen Gebrauche, sie erst mit einem andern Manne zu vermählen, nachzukommen. Der Schiit nahm mit verstelltem bäurischen Wesen seine Pantoffeln, statt sie auf der Schwelle des Gemaches stehen zu lassen, unter den Arm. Diese Handlung veranlaßte ein allgemeines Gelächter, und man fragte ihn um die Ursache. „Wir haben eine Sage in unserer Familie, antwortete er, daß einem unserer Vorfahren, der in den Tagen des Propheten lebte, durch einen Schüler Hanifa’s die Pantoffeln gestohlen worden wären!“ Alle brachen in ein lautes Gelächter aus, und er wurde berichtet, daß Hanifa selbst nicht eher als ein Jahrhundert nach des Propheten Tode seine Lehre verbreitet habe. „Es wird also ein Schüler von Malik gewesen seyn!“ Die Luft wurde noch lauter, als der unwissende Lehrer von dem Zeitalter Malik’s unterrichtet wurde, der erst nach Hanifa lebte. „Dann war es Schaffei!“ – aber dieser war aus einer noch späteren Zeit. „Es muß,“ rief der Schiit, indem er sich ganz erzürnt stellte, „es muß Hanbal gewesen seyn!“ Dieser heilige Mann, wurde ihm gesagt, gab seine Werke nicht eher als in dem zweiten Jahrhundert der Hedschira heraus. der Schiit fuhr bei dieser Erklärung mit verstelltem Erstaunen zurück und rief aus: „Wie! wenn ihr alle die Wahrheit sagt, so lebten diese heiligen Männer, deren Meinungen ihr für uns zum Gesetz machen wollt, so lange nach unserm Propheten, daß sie ihn eben so wenig, als ihr und ich, ihr Herren, persönlich kennen konnten, außer sofern sie mehr oder weniger gelehrt waren!“ Indem er dieß sagte, stand er auf und ging ab; bald wurde indeß von dem König nach ihm gesandt und dieser fragte ihn, ob er wohl glaube, daß er sein Weib zurücknehmen könne, ohne sie zuvor an einen andern zu verheirathen? „Wenn keine größere Autorität dagegen ist, als die dieser neuen Heiligen, so kann ich keine Sünde darin sehen, dieß zu thun,“ war die Antwort. Der König war erfreut und handelte sogleich dieser Meinung gemäß; und dieser Umstand soll keinen geringen Antheil daran gehabt haben, daß sich Mahommed Khodah-bundah zum Glauben an die Lehren der Schiiten bekehrte. (Wem fällt hierbei nicht der Uebertritt Heinrichs VIII. von England zum Protestantismus ein?)Malcolm, history of Persia. Vol. II. pag. 350