Sturm-Petition der Haarkräusler und Barbiere

Textdaten
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Autor: Theodor Drobisch
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Titel: Sturm-Petition der Haarkräusler und Barbiere
Untertitel: an die Hohe National-Versammlung zu Frankfurt
aus: Der Nürnberger Trichter, Nr. 19, S. 73–74
Herausgeber: Eduard Kauffer
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1848
Verlag: Friedrich Campe
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: MDZ München, Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
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Sturm-Petition der Haarkräusler und Barbiere
an die
Hohe National-Versammlung zu Frankfurt.

Die in Nr. 3. Ihres „Trichters“ mitgetheilte Addresse mehrerer Bartkünstler hat leider nicht den Erfolg gehabt, den die Betheiligten sich davon versprochen hatten. Die Zeiten sind im Gegentheil immer schlechter geworden, so daß die Herren Barbiere endlich genöthigt waren, sich direkt an das Alles durchsetzende Parlament in Frankfurt zu wenden. Sie verbanden sich zu diesem Zwecke mit den ebenfalls in Sack und Asche trauernden Haarkräuslern und erließen eine energische Sturmpetition, die ich Ihren Lesern unmöglich vorenthalten darf. Hier ist sie.


     Hohe National-Versammlung!

Wenn dem Unterdrückten Alles genommen wird, so bleibt ihm doch das Recht, und auf dieses pochen wir, wir, die Friseurs und Barbiere. Mit dem Verschwinden der Perrücken und Zöpfe sind wir, die Haarkräusler, in schauderhafte Verwirrung gerathen, und wenn wir in dem großen jetzigen Völkertanze einmal eine falsche Tour machen, so ist dies eine große Seltenheit, da Jeder seinen Kopf so zeigen soll, wie er wirklich ist. Was soll aus uns werden in Zeiten, wo man an den Fürsten und Ministern kein gutes Haar läßt, wo Einer den Andern zu scheeren sucht, wo sie sich gegenseitig selbst in die Haare fahren? Früher brannten wir hier und da manchmal das Haar oder suchten es zu wickeln; jetzt brennt ob der Verwickelungen aller Welt der Kopf und ruhig müssen wir zusehen, wie die Cabinette in Kriegs- und Friedensangelegenheiten durchgängig mit Pomade handeln.

Was nun uns, die Barbiere, anbelangt, so haben wir in der Manie, Bärte zu tragen, ein gewaltiges Haar gefunden. Wo ist in diesen Tagen noch ein glattes Gesicht zu schauen? Nirgends! Jedermann läßt sich einen Bart stehen und verwaist wandern wir mit dem Portefeuille der Bartangelegenheiten durch die Straßen. Auf dem Streichriemen wächst Schimmel und die Klingen unserer Barbiermesser frißt der Rost. Wir haben zwar Gerechtigkeiten und Gesetze zu unserm Schutz: trotzdem aber haben wir sehen müssen, wie ein einzelner Mann, der Fürst Metternich, den ganzen österreichischen Kaiserstaat barbiert hat. Während wir jetzt nicht einmal Arbeit in einer Kaserne finden, rasirt der General Radetzky ganze Festungen. Ist dies der Lohn für uns, die wir Jahre lang Kaisern, Königen und Ministern um den Bart herumgegangen? für uns, die man nur sah, wenn ihnen das Messer an der Kehle stand? [74] Nein, nicht länger sehen wir dies mit an, solche Pinsel sind wir nicht! Vereint mit den Friseurs fodern wir dies struwwelpeterige Jahrhundert in die Schranken, um den Zahn der Zeit herauszureißen, der an unserer Existenz nagt und uns das Brod vom Tische wegfrißt. Wir bitten ganz ergebenst:

auf Haupt- und Barthaar in deutschen Landen zum Besten brodloser Friseurs und Barbiere eine Steuer zu legen und uns deshalb so bald als möglich Resolution zukommen zu lassen.
Die sämmtlichen deutschen Friseurs und Barbiere.

Diese haarige Angelegenheit ist in Frankfurt zur Sprache gekommen, es ist dabei haarscharf hergegangen und endlich beschlossen worden, daß eine Haar- und Bartsteuer eingeführt werde. Es zahlt demnach:

ein voller Haarbusch jährlich 48 Kreuzer,
ein gewöhnliches Haupt 1 Gulden,
erstes Viertel Mondschein 1 Gulden 30 Kreuzer,
zweites Viertel Mondschein 2 Gulden,
eine radikale Platte 3 Gulden.

Hinsichtlich der Bärte findet folgende Steuer statt:

ein Backenbart jährlich 48 Kreuzer,
ein Schnurrbart 1 Gulden 30 Kreuzer,
ein Knebel- oder Ziegenbart, Wallenstein, Schnurrbart mit Henry quatre 2 Gulden,
ein Esau-Gesicht, d. h. eine Visage, worein nie ein Rasirmesser kommt, 3 Gulden.
Theodor Drobisch.