Streifzüge bei den Kriegführenden/7. Ein Ritt nach Sistowa
General Lewinski hatte uns mit der größten Bereitwilligkeit die Fermans ertheilt, die uns die Straße nach Bulgarien eröffnen sollten. Nach einem ausgiebigen, von einem englischen Collegen gespendeten Frühstück ging es von unserm Landhäuschen aus den schmalen Pfad hinunter, welcher zur Donau führt. Die Staubmassen, welche jeder Reiter aufwirbelte, wurden erst nach einer Viertelstunde durchsichtiger, dann hellte sich die Landschaft auf, wir waren auf einem weiten Flecken grüner Erde, welchen der Strom von drei Seiten anspülte. Wir schritten nun gerade aus auf das Ufer und – Bulgarien zu, welches so vor uns lag, als könnte man mit der Hand danach greifen. Eine trügerische Nähe, denn wir waren noch über dreiundeinhalb Kilometer von dem Gestade entfernt. Auf der Halbinsel selbst sah es aus wie in einem Lager. Hier ruhten die Truppen, ehe sie über die Donau setzten. Die unvermeidlichen Kosaken machen sich auch hier breit, und sie sehen auch um etliche Grad ungemüthlicher aus, als in den Straßen von Bukarest.
Endlich stehen wir am Strande des capriciösen und herrlichen Stromes. Auf demselben geht es ziemlich lebhaft zu, hinüber und herüber rudern Kähne mit Soldaten und Material beladen und zwischen den Kähnen dampft majestätisch ein Steamer, er bringt das Rohmaterial für die eben zu vollendende Pontonbrücke. An der ersten Brücke waren wir ohne Schwierigkeiten passirt, an der zweiten jedoch, wo Tags zuvor einige Pontons durch den Sturm weggerissen wurden und dadurch eine Lücke entstanden war, mußten wir die Pferde zurücklassen, deren Transport umständlich gewesen wäre. Dafür beorderte der hier commandirende General Richter einen jungen Aspiranten, der die Mission hatte, uns bis zur zweiten Brücke zu geleiten und dort ein Boot zu requiriren, auf welchem wir uns einschifften und, von zwölf Matrosen en pleine parade gerudert, das Ufer Bulgariens erreichten.
Welch ein herrliches, üppiges Land, das Bulgarien, in der That wohl werth, einem freien, glücklichen Volke als Heim zu dienen! Selbst die Felsen, an deren Fuße das Boot anlegte, sind mit hohem, duftendem Grase, mit Blumen und herrlichen Bäumen bedeckt. Soweit das Auge schweift, beherrscht es die nämliche üppige Flora, denselben Luxus der Vegetation. Welch eine Sünde, in diesem Eden – als solches präsentirt sich Bulgarien – frevelhafte Massenmorde auszuführen, wie im vorigen Jahre, oder Krieg zu führen, wie heuer! Man hat einige Mühe, sich in die Situation, welche die Politik dem Landstriche geschaffen, hineinzuleben und sich die Scene vorzustellen, die sich vor vier Tagen bei Morgengrauen hier abspielte, denn wir sind just an jener Stelle, wo der Kampf zwischen den landenden Russen und den Türken wüthete. Da oben auf dem von Bäumen beschatteten Plateau knieten die türkischen Tirailleure und sandten den Ankömmlingen Tausende von eisernen Grüßen entgegen. Jeder Tirailleur fand da hinter dem Gebüsche, hinter den einzelnen Bäumen eine bequeme Brustwehr, die russischen Angreifer dagegen segelten auf offenem Strome dem feuer- und verderbenspeienden Ufer entgegen. Ein wenig abseits von der Tirailleurstelle, auf dem höchsten Plateau, war eine Batterie aufgefahren; deren Kugeln waren es, die einige schwere russische Pontons mit Kanonen, Pferden und Mannschaft den Donaunixen im unermeßlichen [513] Grunde preisgaben. Aber unbekümmert um die Zwischenfälle, unbekümmert um die Getroffenen und Versunkenen steuern die russisches Boote auf das Ziel los, der Tag ist der Nacht vollständig gewichen. Das Ufer ja erreicht, aber nun gilt es, die Anhöhe zu erklimmen. Fürwahr, das ja nicht leicht, mit Sack und Pack, ohne das Gewehr aus der Hand zu lassen, ohne die Patronentasche zu degarniren. Der Soldat muß da zur Katze werden. Wieder sind es Kosaken, die mit Zurücklassung ihrer Pferde zuerst hinaufschleichen und aus ihren Karabinern auf die Peabodys der Türken antworten. Und vorwärts kraucht es durch die Gebüsche, unbekümmert um die Cameraden, die auch hier, vom mörderischen Blei getroffen, zurückbleiben. Da ertönt wildes, ungestümes Hurrah auf der linken Seite des Hügels: etwa hundert Kosaken haben sich unbemerkt durch einen schmalen Pfad, einander auf die Achseln kletternd, emporgeschwungen; sie fallen den Türken in die Flanke. Nach den ersten abgefeuerten Schüssen werfen die Söhne des Don den Karabiner weg und dringen mit der Lanzenspitze auf den Feind ein. Die Türken aber sind mit dem Bajonnet nicht faul und bieten Paroli; es giebt ein Streiten und Ringen, während die übrigen türkischen Tirailleure unverfroren in den von Russen und Türken gebildeten Knäuel hineinpfeffern. Doch dieser Flankenangriff bringt dem Tage seine Entscheidung. Die von dem Beispiele der Vorhut angeeiferten Russen klettern nun ebenfalls wie die geschicktesten Seiltänzer und spießen die Türken von vorn, während sie die Uebrigen mit Lanze und Bajonnet in die Seite stechen.
Ein frisch aufgeworfener Hügel bezeichnet die Stelle, wo dieser Kampf Mann gegen Mann stattgefunden. Siebenzig Russen und vierzig Türken haben hier, bunt durcheinander gewürfelt, die letzte Ruhestätte gefunden, die wohl nach dem Kriege durch ein einfaches, den Heldensinn der Streiter beider Nationen ehrendes Kreuz dem Reisenden bezeichnet werden wird.
Und nun bergauf, den nämlichen Weg, den die landenden Russen verfolgten, als sie sich anschickten, die Früchte ihres Sieges zu pflücken. Der Pfad, der nach dem Vororte von Sistowa und von da nach Sistowa selbst führt, ist schmal, sehr holprig, ist nichts weniger als eine Kunststraße. Der Telegraph, der die Communication mit Rustschuk nach der einen und Nikopolis nach der andern Seite sichert, war an mehreren Stellen gewaltsam abgeschnitten. Der Weg auf dem Plateau führte uns durch die Batterie, von der aus die Türken drei Stunden lang, trotzdem die Position eine herrliche ist, ohne Schaden die Reserve der Russen beschossen hatten. Dagegen hatten die Russen in sehr glücklichem Wurfe ihre Bescheerungen bis hierher gesandt. Auf dem Boden lagen noch mehrere kleine, sehr zierliche Granaten, die zu explodiren vergessen hatten, und ein Bauernhäuschen am Ausgange der Verschanzung zeigte gar gewaltige Löcher in den Wänden links und rechts, abgesehen vom Dachstuhle, der Regen und Sonnenschein entgegengähnte. Auch hier zeugten Hügel von der Bestattung gefallener Krieger des Christenthums und des Islams.
Endlich standen wir am Eingange jener türkischen Vorstadt von Sistowa, wo sich die Russen zuerst etablirten und ihre Truppen concentrirten, um in ansehnlicher Zahl in der Stadt selbst zu erscheinen. Ein solches türkisches Dorf entbehrt vor Allem der schnurgeraden „Hauptgasse“, die bei europäischen Ortschaften unerläßlich ist. Es giebt hier überhaupt gar keine Straßen mit regelmäßigen Häuserreihen, sondern blos auf's Gerathewohl bunt durch einander laufende oder über einander gestapelte Hütten, wovon jede von einem hübschen wohlgepflegten Gemüse- und Pflanzengarten umgeben ist, die wilden Reben, die grünen Kukuruzhalme, die Kürbisse etc. maskiren vollkommen eine solche Bauernhütte, wo eine türkische Familie wohnt. Garten und Häuschen erfreuen sich einer Plankenumzäunung, welche jedoch dem Kriege zu Ehren an mancher Stelle gewaltsam durchbrochen ist. Die Schlafstätte der türkischen Familie befindet sich in dieser heißen Jahreszeit unter einer Veranda, welche zum Hause eine Außengalerie bildet. Hier und da waren noch unter den Verandas drei bis vier symmetrisch geordnete Strohsäcke zu sehen – aber mit aufgetrenntem Bauche, denn man hatte darin nach Baarschaften gesucht, und in der Eile den Inhalt an Wolle und Seegras überall verschüttet. Die Stuben, oder richtiger die Stube eines solchen türkischen Landhauses ist klein, eng, mit auffallend niedrigem Plafond. Den Boden bedecken die landesüblichen Matten, die dem Osmanen oft das ganze Mobiliar ersetzen. Ob es überhaupt ein anderes Mobiliar in diesen Stuben je gegeben, danach fragt mich nicht, denn es war in dem Augenblicke, wo wir Sistowa mit unserer Gegenwart beehrten, keine Spur mehr zu finden. Alles war auf's Gewissenhafteste ausgekramt, Alles, um einen weiland technischen Ausdruck zu gebrauchen, „gerettet“. Von wem? Darüber giebt es ebenso viel Lesarten, wie über einen angefochtenen Paragraphen des Koran. Die Bulgaren in Sistowa erzählen, die Türken haben aus Bosheit, ehe sie sich aus dem Staube machten, selbst Alles vernichtet und zertrümmert, damit es nicht in die Hände der Russen fiele; die Russen wieder, welche wohl fühlen, daß eine solche Lesart im Zahne wackelt, schieben die Plünderung den eingeborenen Bulgaren zu, die sich wegen der vorjährigen Ausschreitungen schadlos halten wollten. Die dritte Version aber ist die einfachste und geläufigste, daß nämlich die von dem so eben bestandenen mörderischen Kampfe erhitzten Kosaken das Dorf, in welches sie eingedrungen waren – ein wenig nach Kriegsbrauch, wenn nicht nach Kriegsrecht behandelten. Thatsache ist, daß der Anblick, welcher sich in den Hütten des türkischen Dorfes vor Sistowa bot, sich auch in dem türkischen Quartiere der Stadt selbst wiederholte.
Sistowa hat eine sehr große Ausdehnung. Die verschiedenartigen Baulichkeiten der Stadt reichen von dem Gipfel eines ziemlich hohen Hügels bis an die Donau hinunter. Geht man den Hügel bergauf, so wandert man durch das Türkenquartier – welches man sehr leicht an dem charakteristischsten Merkmale erkennt, den kleinen mehrfach vergitterten Jalousien, welche auf die Anwesenheit des sorgsam gehüteten Hausschatzes, des Harem deuten; es versteht sich aber von selbst, daß die Vögel ausgeflogen waren. Hier, namentlich aber in den Häusern mit dem vergitterten Präservativ häuslichen Glückes, war Alles mit Berserkerwuth zertrümmert, die Thüren waren aus den Angeln gerissen, die Fensterläden hingen lose auf die Straße hinaus, die Gewölbe der Kaufleute waren mit der wild hinüber und herüber geschleuderten Waare besäet; in den Boutiquen, wie in den Wohnungen war Alles traurig und öde – denn die Auswanderung, als der Ruf ertönte: „die Moskows kommen“, war eine allgemeine gewesen. Sie rannten davon, als hätten sie alle Würgengel des jüngsten Gerichts hinter sich. Und was hätten sie auch thun mögen, die strenggläubigen Osmanen in der von Giaurs genommenen Stadt, wo die „Christenhunde“ schaarenweise in die heiligen Räume der Moscheen gedrungen waren und hier im geweihten Raume, den der wahre Gläubige nur mit entblößten Füßen betritt, den ärgsten Spott getrieben hatten. Der Erdboden aller drei Gotteshäuser in Sistowa war, als wir denselben betraten, voller Schutt, die Kandelaber, welche die gläsernen Lämpchen stützen, waren in Trümmern, und das Geländer, welches oberhalb des Raumes für die Gläubigen einige verzierte Sitze und die Kanzel des Iman umzäunt, war an mehreren Stellen durchbrochen. Von dem Minaret drang nicht mehr der mahnende Ruf an die gottesfürchtigen Muselmänner zum Gebete, sondern nur der spöttische Ausruf eines russischen Officiers, der sich der herrlichen Aussicht freut, die man oben genießt.
Einen grellen Contrast zu dem türkischen Viertel bildet das bis an die Donau reichende bulgarische. Drüben war man bereits in Asien, hier kehrt man nach Europa zurück, statt der ärmlichen Hütten findet man hier ganz anständige Gehöfte und reinliche, wohlgebaute Bürgerhäuser. Durch die Hauptstraße zieht sich eine lange Reihe von Boutiquen, auf deren Vorhängeläden ein weißes Kreuz gemalt ist. Soll wohl heißen. „Freund Ruß, bin guter Christ, und laß mich ungeschoren.“ Man findet in diesen Buden so ziemlich Alles, ja den Hauptplatz decoriren sogar zwei sehr stattliche Apotheken mit gemaltem, lebensgroßem allegorischem Schilde. Wo es Apotheken giebt, steckt ein deutscher Gehülfe – wenn der Herr Pharmaceut selbst nicht germanischen Ursprungs ist. Richtig fanden wir auch in einigen der medicinischen Laboratorien einen ehrlichen Oesterreicher, der in Friedenszeiten auf der Route nach Tirnowa ein Gut verwaltet, für den Moment aber zu den Blutegeln und Brausepulvern seiner ersten studirenden Jugend zurückkehrte.
Der wackere Mann bot sich sofort als Cicerone an und war sogar bereitwillig genug, uns zu der in Simnitza weitgerühmten Restauration hinüber zu schleifen. Er erzählte uns, daß die Türken, wie sie die ersten Schüsse vor der Stadt fallen [514] hörten, in wilder Flucht per Esel, per Wagen, per Karren, und selbst zu Fuß hinausstürmten. Die türkischen Behörden hatten ihren Untergebenen weißgemacht, daß der Kaiser von Rußland sämmtliche nicht christlichen Unterthanen des Gebietes dem Feuer und Schwerte preisgegeben. Daher die wilde Flucht unter Zurücklassung der Habe. Als die Osmanen Reißaus nahmen, waren sie nur darauf bedacht, eins mitzuschleppen, die Pferde, welche ihnen bei der Flucht dienlich sein konnten. In dieser Beziehung aber gingen sie ohne Rücksicht vor, und auch unserem Cicerone wurden zwei hübsche Braune „requirirt“, über deren Verlust er sich gar nicht zu trösten wußte. Auch gruselte es ihm, wenn er daran dachte, wie die „Kruzitürken“ auf seinem Pachthofe wirthschaften würden!
In der Bulgarenstadt war es lebendig. Die christlichen Bewohner haben hier ein ehrenwerthes, spießbürgerliches Aussehen; die Notabilitäten erfreuen sich der Angströhre auf dem Kopfe, die kleineren Leute haben dem Türken die Commodität des Fez abgeguckt – aber um „Freund Ruß“ nicht zu beleidigen, ist über den rothen Fez ein weißes Tuch angebracht und auf diesem prangt ein schwarzes Kreuz. Die Dirnlein von Sistowa sind drall, gesund und kernig. Sie stehen an den Brunnen und ihre Zungen platschen um die Wette mit dem eisfrischen Wasser, welches in ihre Krüge rinnt. Andere Sistowaer Gesichter lugen wieder aus den Hausthüren hervor und sehen nach den auf und nieder sprengenden russischen Officieren.
Doch da giebt's was zu sehen, von der Donau her erschallen laute Hurrahs, die Bulgaren winken einander zu und Alles rennt nach der Straße, die über holperige Stege zu dem Strome führt. Alles steht spannungsvoll da mit gaffendem Munde und weit geöffneten Augen. „Der Kaiser, der Kaiser!“ ruft geschäftig der Cicerone. „Kommen Sie, meine Herren, kommen Sie!“ Schon zeigten sich die Fellmützen der Tscherkessen von der Escorte, und hinter diesen keuchte der von zwei Pferden gezogene Wagen den Berg hinauf. Es war ein sehr einfacher, offener Reisewagen mit vier Sitzen. Der Kaiser, Großfürst Nicolaus und zwei junge Prinzen des kaiserlichen Hauses waren die Insassen desselben, alle vier in Campagne-Uniform mit weißer Tellermütze und sehr bestaubt. Der Kaiser sah sehr heiter aus und grüßte die herbeiströmenden Bulgaren mit beständigem Lächeln. Alexander der Zweite schien mir offenbar gesünder und bei besserem Humor, als damals, wo ich ihn in Petersburg bei der Rückkehr von Kischinew gesehen.
Neben dem Wagen, der in langsamem Schritt die Straße entlang fuhr, schritten einzelne Officiere der bulgarischen Legion (grüne Uniform mit der Pelzmütze und dem Kreuze darauf) mit gezücktem Säbel; auch ein Pope war unter ihnen; er hatte eben dem Czaren Salz und Brod gereicht. Der kleine kaiserliche Zug verschwand bald wie eine Vision hinter der Krümmung, die zum türkischen Stadttheil führt; wir dagegen eilten dem Donaustrande zu. Da winkte schon von ferne die Fahne mit dem an allen Donauhäfen sichtbaren K. K. D. D. G. (k. k. Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft.) Im Schatten der riesigen Flagge schaukeln sich etliche Barkassen, heute herrenlose Schiffe, deren sich die Türken bei Beginn der Feindseligkeiten bemächtigten und die nun verlassen dastehen. Einer von uns machte den Vorschlag, eine der Barkassen wegzuschleppen und dieselbe als „Reporterschiff“ für die Recognoscirung der Donaugelände zu verwenden. Aber da müßte man zuerst ein journalistisches Matrosencorps zusammen trommeln und sich nebenbei auch gegen Torpedos und ähnliche Unannehmlichkeiten assecuriren. Kaum findet man es werth, in dem vollkommen glänzend eingerichteten Gasthause der k. k. Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft darüber einige faule Witze zu reißen. Der verrätherische türkische Wein, zu dessen Genuß uns die Hitze und das scharf gewürzte „Rostbratl“ anspornen, löst bald alle Zungen, und es zeigt sich nun, daß Jeder so ziemlich seinen Kriegsplan fertig hat. Mit Hülfe des rothen Saftes ist der eine schon in einer Woche über den Balkan hinweg in Adrianopel eingeflogen, der andere garantirt den Einzug in Constantinopel binnen zehn Tagen. Da es aber rasch Nacht zu werden beginnt, müssen wir Balkan und Constantinopel-Besetzung im Stiche lassen und uns nach unseren Quartieren in Simnitza rückwärts concentriren.
Der ganze Horizont flackert in einem Flammenmeere, denn überall auf den Bergen wie in der Ebene sind Wachtfeuer angezündet, bis auf den höchsten Gipfel des Vorgebirges des Balkan. Auf der Insel finden wir das Kosakenlager in freudiger Erregung. Um ein ungeheures Wachtfeuer braten am Spieße ganze Hammel und zwei Fässer Wein sind angestochen. Ein Chor von dreißig Mann singt einzelne Sätze eines altrussischen Liedes, welche Sätze jedesmal mit dem aus dreihundert Kehlen dringenden Refrain enden: „Hurrah, hurrah, für unseren Czaren!“ Der Czar, den die Leute besingen, hat aber auch fünf davon mit der Tapferkeitsmedaille eigenhändig decorirt für ihre Haltung bei dem Donauübergang. Außerdem wurde der Sotnia eine Extra-Löhnung und Weinvertheilung zuerkannt. Daher die Freude. Unter den singenden Kosaken hatte sich der eine den Kopf in einen safrangelben Stiefel gesteckt, der andere befestigte ein reichgesticktes Damast-Läppchen auf seine Fellmütze, abseits lagen allerlei Kleinigkeiten türkischen Ursprungs, die für etliche Kopeken zu haben waren. So Mancher konnte da ein ganz billiges Andenken an Sistowa nach Hause bringen. Wir waren indessen versorgt; in den Trümmern der türkischen Wohnstätten hatten wir eine ganze Bibliothek an Gebetbüchern, Korans etc. aufgegabelt. Dies bildete unsern Beuteantheil.