Steinfressende Bacillen

Textdaten
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Autor: Dr. –t
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Titel: Steinfressende Bacillen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 28, S. 868 d
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[868 d] Steinfressende Bacillen. Das Antlitz der Erde ist steten Veränderungen unterworfen. Wir wissen, daß diese unaufhaltsam vor sich gehen, daß chemische, physikalische und mechanische Kräfte dabei thätig sind. Wir sehen, wie Regen und Schnee, Frost und Hitze einwirken, Felsen sprengend, Berge abtragend und dabei die Erdkruste zersetzend und lösend und Humus bildend. An dieser letzteren Thätigkeit sind nun aber, außer diesen Faktoren, auch Organismen, so Tier wie Pflanze, beteiligt. Die Regenwürmer spielen als Humusbildner eine Rolle, von Pflanzen seien die Flechten angeführt, nun kommen nach Berichten der Pariser Akademie auch noch Mikroben hinzu.

Daß die Bacillen im Haushalt der Natur eine außerordentlich wichtige Rolle spielen, daß sie überall zu finden sind, und nichts vor ihnen sicher ist, das ist seit Jahrzehnten bereits bekannt; daß sie aber sogar Steine fressen, oder doch wenigstens zerfressen und diese dabei umwandeln, das ist eine Entdeckung der allerjüngsten Zeit. Bis jetzt feierte man stets die Flechten, diese Doppelwesen, die einer Symbiose, einem Zusammenleben von Alge und Pilz ihre Existenz verdanken, als die Pioniere der Vegetation. Wo kein Lebewesen sonst existieren konnte, auf den höchsten Berggipfeln, am Rande der Wüsten, da lebten sie, unaufhaltsam sich ausbreitend, trotz Eis und Schnee, größter Hitze und Dürre, und den Boden vorbereitend für spätere, nach ihnen kommende Vegetation. Nun ist es bekannt geworden, daß sie in einem Bacillus einen Konkurrent besitzen.

Ein französischer Gelehrter hat diese Mikroben entdeckt. Er fand sie auf Felsen, die allem Anschein nach infolge ausschließlich atmosphärischer Einwirkung zerfallen waren. Wie sehr die kleinsten Lebewesen aber an dieser Zersetzung beteiligt waren, ging daraus hervor, daß das verwitterte Gestein stets von organischen Substanzen bedeckt war, die, wie leicht nachzuweisen war, von diesen Mikroben herstammten.

Ihre Hauptthätigkeit entwickeln sie im Sommer, während sie im Winter in eine Art Winterschlaf verfallen. Infolge ihrer Kleinheit dringen sie in die feinsten kapillaren Spalten der Felsen ein, so Zerstörung und Verderben bis in erhebliche Tiefen derselben tragend. Man kann häufig ganz tief im Innern von äußerlich scheinbar völlig gesundem Gestein, wie Schiefern, Graniten und Kalken, durch solche Bacillen zersetzte Stellen finden. So sollen sie auch an der Zerstörung des Faulhorns, die man bisher nur durch Verwitterung herbeigeführt glaubte, beteiligt sein.

In rein mineralischen Lösungen sind sie auch bereits künstlich gezüchtet worden.

Indem diese Mikroben nun, insofern sie das Gestein zersetzen, dasselbe zugleich auch umwandeln, werden sie aus Zerstörern zu Erhaltern des Lebens, und da sie ihren Leib aus der Kohlensäure und dem in der Luft enthaltenen Stickstoff-(Ammoniak-)Verbindungen aufbauen, so düngen sie bei ihrem Zerfall den Boden mit dem für die Pflanzen so wertvollen Stickstoff.

Aber nicht allein den steinernen Gebilden der Natur sind die Mikroben gefährlich, nein, auch den Schöpfungen unserer Ingenieure, wie einige Berichte bedeutender Chemiker melden. Diesen Herren wurden Proben von Cement eingesandt, mit welchem die Sammelbassins einiger großer städtischer Wasserleitungen ausgekleidet waren, mit dem Ersuchen, den Cement zu prüfen. Dieser Cement nämlich, der mehrere Jahre dauernd mit dem Wasser in Berührung gewesen war, hatte, anstatt fester zu werden, sich nach und nach unter Bildung eines bräunlichen Schlammes gelöst. Die Untersuchung ergab, daß er allmählich völlig arm an Kalk geworden war und daß, außer dem kohlensäurehaltigen Wasser, Bakterien, die in dem auf dem Bassinboden befindlichen Schlamm reichlich sich fanden, dies zum großen Teil verschuldet, den Cement zersetzt hatten. So sehen wir den Einfluß dieser kleinsten Lebewesen überall, selbst dort, wo Leben scheinbar völlig unmöglich, ja zwecklos erscheint. Vielleicht bringt uns in dieser Hinsicht die Zukunft nocb manche Ueberraschungen.
Dr. –t.