St. Barbara
Als teutsches Land noch ganz und gar
Mit wilden Heiden bevölkert war,
Da wohnt’ ein Fürst am Strom des Rheines,
Der hatt’ ein Töchterlein, ein feines,
Viel wunderkühne Degen rangen;
Die Maid indeß, von Weltlust fern,
Diente dem Heiland, unserm Herrn,
Hielt aller Fürsten Glanz gering,
Das blieb dem Vater unverborgen,
Und also sprach er am Ostermorgen:
„Sag’ ab dem Götzen Jesu Christ,
Mit Leib und Seele zu dieser Frist,
In’s Elend stoßen sonder Gnaden!“
Die Maid sprach: „Nein.“ – „Sag’ ab, zur Stunde!
Sonst soll im tiefsten Kerkergrunde
Bei Kröt’ und Molch’ dein Wohnsitz seyn!“
„Sag’ ab, sonst soll am Hügel hier,
Beim Zürnen Odin’s schwör’ ich’s dir,
Dein Blut vergießen dieser Stahl!“ –
„Nein!“ sprach die Maid zum Drittenmal.
Den lilienweißen Hals durchschnitten,
Doch aus der Wunde fließt kein Blut;
Sie wallt, umstrahlt von Himmelsgluth,
Zum Kreuze, das im Thale steht,
Derweil in regungslosem Grauen
Die Heiden solches Wunder schauen.
Erst als sie hat das Amen gesprochen,
Ist hell das Blut hervorgebrochen;
Und sieh, des Blutstroms dunkel Roth
Ward plötzlich eine Wunderquelle,
Die silbern fleußt an jener Stelle.
Da ward des Volks ein großer Theil
Und Pilger wallten von fern und nah,
Zum Kirchlein der Sanct Barbara.
Wohl mancher Mann und manches Weib
Wusch sich am Born den siechen Leib,
Das hat Sanct Barbara gethan.
Der Stoff obiger Legende findet sich u. A. in des Karlsruher Rectors Malsch „Noctes vacivae lucerna,“ t. II. p. 104. Die Heilige soll sogar ihr abgehauenes Haupt, ohne den Kopf zu verlieren, ruhig den Berg herab zur Quelle getragen haben; ein Wunder, welches selbst für die Poesie etwas zu stark ist.