Textdaten
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Titel: Spohr und Tibaut
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aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 90
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[190] Spohr und Thibaut.[WS 1] Im Sommer 1832 – ich glaube, er war damals Kapellmeister in Darmstadt – hatte Spohr die Komposition einer Messe vollendet, der er sehr viele Mühe gewidmet und auf die er große Erwartungen gesetzt hatte. Er brachte die Partitur nach Heidelberg, um sie dem berühmten Pandectisten, Geheimen Rath Thibaut, zur Prüfung vorzulegen, der damals, was Kirchenmusik betraf, als erste Autorität anerkannt war. Als Spohr ihn bat, die Messe zu prüfen und ihm sein Urtheil vollkommen unparteiisch abzugeben, lud ihn Thibaut, der ein vortrefflicher Pianist war, ein, sich zu setzen; er wolle sie gleich durchspielen. Dies geschah. Am Schlusse, und als Spohr sein Urtheil erwartete, zog Thibaut ein Notenstück mit dem Bemerken hervor: „Ich will Ihnen noch eine Messe vorspielen.“ Es war die eines der alten italienischen Meister, an deren Werke Thibaut seine enormen Einnahmen (er hatte in dem Sommer in dem Pandectencollegium allein über achthundert Zuhörer) verschwendete. Der Name des Meisters ist mir nicht mehr erinnerlich. Noch während Thibaut spielte, rollte Spohr sein Manuscript zusammen, und als Jener geendet, sprach Spohr: „Ich danke Ihnen bestens, Herr Geheimrath, ich verstehe Sie vollständig. Diese bleibt im Pulte.“ Ich war damals Student in Heidelberg, bei Thibaut eingeführt und Mitglied seines durch ewige Kirchenmusik zu Tode gepeinigten gemischten Gesangvereines; auch weiß ich den Vorfall sowohl aus dem Thibaut’schen Hause, wie durch Mittheilung eines Spohr persönlich befreundeten Studenten dem der Meister ihn sogleich erzählte.

R.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Louis Spohr (1784–1859), deutscher Komponist, Violinist und Kapellmeister und Anton Friedrich Justus Thibaut (1772–1840), deutscher Rechtsgelehrter, Chorleiter und Musikschriftsteller