Sonett LXIV.
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LXIV.
Wer wüßte je das Leben recht zu fassen,
Wer hat die Hälfte nicht davon verloren
Im Traum, im Fieber, im Gespräch mit Thoren,
In Liebesqual, im leeren Zeitverprassen?
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Ja, der sogar, der ruhig und gelassen, Mit dem Bewußtseyn, was er soll, geboren,
Frühzeitig einen Lebensgang erkoren,
Muss vor des Lebens Widerspruch erblassen.
Denn Jeder hofft doch, daß das Glück ihm lache,
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Allein das Glück, wenn’s wirklich kommt, ertragen, Ist keines Menschen, wäre Gottes Sache.
Auch kommt es nie, wir wünschen blos und wagen:
Dem Schläfer fällt es nimmermehr vom Dache,
Und auch der Läufer wird es nicht erjagen.