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Titel: Sogenannte Lichtmühlen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 223
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[223] Sogenannte Lichtmühlen, die von den Sonnenstrahlen getrieben werden, wie die Windmühlen von der bewegten Luft, bilden seit einiger Zeit das Hauptanziehungsstück der Schaufenster optischer Läden. Eine senkrechte, sehr leicht bewegliche Welle aus Glas oder Metall, die in einem vorher luftleer gemachten und dann zugeschmolzenen Glascylinder eingeschlossen ist, trägt an vier zierlich gebogenen Kreuzarmen aus dem leichten Metall der Thonerde (Aluminium) vier pfenniggroße Scheibchen aus Hollundermark, die alle in derselben Folge auf einer Seite schwarz berußt sind. Der Unbefangene und Uneingeweihte, welcher an dem Schaufenster stehen bleibt, glaubt in diesem ruhelos umtreibenden, wenn auch federleichten kleinen Rade das lange gesuchte Perpetuum mobile verwirklicht zu erblicken: er sieht in dem durchsichtigen Apparate keine Kraft einströmen, keine Feder oder sonstige Triebkraft wirken. Erst wenn er der kleinen Maschine in’s Licht tritt, wird ihm die treibende Ursache klarer werden; das Rad geht dann mit einem Male auffallend langsamer und scheint ihn durch sein Zögern, wie weiland Diogenes den Alexander, zu bitten, doch aus der Sonne zu treten. Kaum ist dies geschehen, kaum strömt der helle Strahl hernieder, so läuft das Rädchen wieder wie toll vor Freude.

Und so empfindlich ist es, daß es selbst an den trübsten Decembertagen im Schaufenster nicht müßig steht und daß am Abend ein Kerzenlicht, nahe an den gläsernen Schrein gehalten, genügt, die Flügel zum langsamen Kreisen zu bringen. Da nun zwei, drei oder zehn Kerzen das kleine Rad zwei, drei oder zehn Mal so schnell herumdrehen und die Wirkung, wie bei allen strahlenden Kräften, mit dem Quadrate der Entfernung abnimmt, so hat man das Maschinchen auch einen Strahlenmesser (Radiometer) genannt. Der letztere Name ist entschieden der Volksbenennung „Lichtmühle“ vorzuziehen, denn die Untersuchung hat ergeben, daß es nicht die Lichtstrahlen sind, welche das Rad in Bewegung setzen, sondern die dieselben meistens begleitenden Wärmestrahlen; eine klare Alaunplatte, welche die ersteren, aber nicht die letzteren durchläßt, raubt dem kleinen Rade seinen Bewegungsantrieb, während es hinter einer dunklen Schicht Jodtinctur, welche sich gerade umgekehrt verhält und also die Wärmestrahlen allein durchläßt, munter weiter kreist.

Die kleine Maschine ist eine Erfindung des verdienten englischen Naturforschers William Crookes, desselben, dessen kürzlich in diesen Blättern wegen seiner Untersuchungen über sogenannte spiritische Erscheinungen in nicht gerade liebenswürdiger Weise gedacht worden ist. Durch eine Reihe höchst sorgfältiger Versuche hat dieser gewiegte Forscher endlich die schon seit langen Jahren von vielen Naturforschern behauptete, aber niemals klar bewiesene Thatsache festgestellt, daß die Wärmestrahlen eine meßbare anziehende oder abstoßende Wirkung auf Körperoberflächen ausüben, je nachdem sich dieselben in einem lufterfüllten oder mehr und mehr luftleeren Raume befinden. Dieselbe Thatsache ist fast gleichzeitig (1874) von einem deutschen Physiker, A. Bergner, festgestellt worden. Wie diese Anziehung oder Abstoßung zu Stande kommt, darüber sind die Physiker noch sehr im Unklaren, aber mit der seit undenklichen Zeiten bekannten Anziehungs- und Abstoßungskraft der Magneten ist es nicht viel besser, und jedes Professorkind, dem sein Vater einen Magneten mit anhänglichen Fischen und Schwänen zum belehrenden Weihnachtsgeschenke bescheert hat, kann seinen gelehrten Vater mit der einfachen Frage auf den Pfropfen setzen: „Aber wie macht es denn der Magnet, lieber Vater? Hat er denn unsichtbare Arme?“ Wir müssen uns begnügen, bei solchen Dingen die Gesetze festzustellen, ohne uns über das innere Wesen der Kräfte allzu sehr zu beunruhigen. Und auch bei unserer Wärmeanziehung und Abstoßung sind die Wirkungen, wie schon oben angedeutet, vollkommen regelmäßig in ihrer Zu- und Abnahme, und ein Stückchen Eis, also ein kälterer Körper, bringt in allen Fällen die umgekehrte Wirkung hervor, würde das kleine Rad in entgegengesetzter Richtung treiben, weil er, statt Wärme auszuströmen, Wärme entzieht. Das muntere Fensterspielzeug, bei dessen Anfertigung Alles auf thunlichste Verminderung der Reibung, starke Luftverdünnung, sehr dünne Glaswandungen ankommt, wird in vorzüglichster Empfindlichkeit von dem in solchen Künsten unübertroffenen Mechaniker Geißler in Bonn, dem Urheber der weltbekannten Geißler’schen Röhren, angefertigt. Ohne Zweifel wird gar Mancher künftig neben das Thermometer an der Fensterwand sein Radiometer hinhängen, wäre es auch nur der geheimnißvollen Bewegung wegen, und nicht um zu messen, wie viel helle Wärme einstrahlt.