Skizzen aus dem häuslichen Leben

Textdaten
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Autor: Hans Arnold
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Titel: Skizzen aus dem häuslichen Leben
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 440, 442–443
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Skizzen aus dem häuslichen Leben.

Von Hans Arnold.
Unsere Flora.

Diese Flora ist jedenfalls eine Herbstflora!“ hatte der Hausherr mit etwas schmerzlich verzogenem Gesicht gesagt, als unsere damals „neue“ Köchin von ihm bei Gelegenheit der polizeilichen Anmeldung beaugenscheinigt wurde.

Wir übrigen Anwesenden waren mit dem Familienhaupte darüber einig, daß Flora dem Auge nichts Bestechendes darbot. Sie war so über Lebensgröße geraten, daß wir sämtlich das Gefühl hatten, sie thäte besser, in Lieferungen zu erscheinen, und ihre Gesichtszüge waren, der ganzen Erscheinung entsprechend, auch so groß und auseinandergezerrt, daß man zunächst auf den Gedanken kam, sie mache nur Spaß und werde ihr richtiges, ernstgemeintes Gesicht bei passender Gelegenheit erst zum Vorschein bringen.

Jung war Flora auch nicht mehr – wenn auch jedenfalls jünger als jene Dame meiner Bekanntschaft, der von ihren Zeitgenossinnen aus Anlaß ihrer späten Verlobung der Vorwurf gemacht wurde: „Sie spielt sich auf die Vierundfünfzigjährige.“

Nach kurzer Zeit machten wir die Entdeckung, daß unsere Flora – sie hieß übrigens Flora Gewölke, wie ich den Lesern nicht vorenthalten will – also daß unsere Flora eigentlich zur Fauna gehörte, indem sie nämlich ein Drache war. Der kräftige Zug in ihrem Wesen wirkte aber insofern wohlthuend, als ihre Vorgängerin an den entgegengesetzten Eigenschaften gelitten hatte. Diese hatte sich beständig in Thränen und Seufzern aufgelöst – hatte mit unberechtigtem Pessimismus erklärt: „Wenn ich meinen Sonntag habe, regnet es immer!“ und konnte beim Anblick der ihr zum Reinigen überlieferten Wäsche mit einem dumpfen Wehelaut zusammenbrechen: „Ach – was Wäsche!“

Nach dieser trauernden Muse war, wie gesagt, die frische Unternehmungslust unserer Flora sehr angenehm. Sie bezeichnete ihre Eigenart bereits beim Dienstantritt selbst mit den Worten: „Ich bin ein Russe und arbeite wie ein Pferd,“ berechtigte also zu den schönsten Hoffnungen. Da sie nebenbei – oder nicht nebenbei – vorzüglich kochte, so lebte die Familie alsbald sehr glücklich mit ihr. Allerdings konnte dies, der Wahrheit die Ehre, nur durch ein gänzliches Aufgeben der eigenen Selbständigkeit seitens der Hausfrau ermöglicht werden. Flora arbeitete wie ein Pferd, war aber auch eigensinnig wie ein solches und riß das Hausregiment, soweit es ihre Küche betraf, mit beispielloser Herrschsucht an sich. Sie kaufte alles ein, sie bestimmte den Küchenzettel und tobte bei Versuchen, ihr mild und vorsichtig „drein zu reden“, wie ein riesiges Unwetter in der Küche umher. Als die Hausfrau, mit einem letzten, schüchternen Versuch, ihre rechtliche Stellung zu wahren, die Dreistigkeit begangen hatte, ein Suppenhuhn eigenhändig zu erstehen, stieg Floras Empörung ins Maßlose, und sie erklärte das Huhn für bucklig, da sie außer stande war, ihm sonstige Schlechtigkeiten aufzubürden. Die Gegenvorstellung, daß es bei einem Huhn mehr auf zartes Fleisch wie auf tadellosen Wuchs ankäme, prallte wirkungslos ab, und die Hausfrau konnte nur durch das feierliche Gelübde, „es nie wieder zu thun“, unsere Flora wieder in einen erträglichen Zustand versetzen.

Flora war Witwe. Wie ihr Ehestand gewesen, ob sie den seligen Gewölke geprügelt hatte oder er sie, darüber brachten wir nichts in Erfahrung. Flora erzählte nur der Hausfrau beim gemeinsamen Bereiten eines Kartoffelsalats – eine Beschäftigung, die für Köchinnen so sicher das Signal zu Vertrauensergüssen ist wie für Backfische ein Spaziergang im Mondschein – also bei dieser häuslichen Beschäftigung erzählte Flora der Hausfrau von ihrer Hochzeit und fügte die Versicherung bei: „Ich war die schönste Braut, die ich in meinem ganzen Leben gesehen habe,“ was wegen mangelnden Gegenbeweises natürlich blind geglaubt werden mußte.

Jedenfalls hatte der selige Gewölke nie über schlechtes Essen zu klagen gehabt, was ja die erste Grundbedingung zu einer glücklichen Ehe sein soll – und so konnten wir denn annehmen, daß Gewölkes eine Musterehe geführt hatten, um so mehr, da Flora wirklich ein grundbraves Geschöpf war. Eine der besten Seiten unserer Flora war ihre blinde und zärtliche Liebe zu den Kindern des Hauses. Vom „jungen Herrn“, dem Sekundaner, an, dem sie den Scheitel machen mußte, bis zum Kleinsten, dem sie Aniskuchen buk, liebte sie die ganze Kinderschar glühend, und diese Neigung wurde von deren Gegenständen aufs leidenschaftlichste erwidert. Gingen die Eltern in Gesellschaft, so war es das größte Fest für die Kinder, wenn Flora sich zu ihnen gesellte und mit ihnen „Glock’ und Hammer“ um Backpflaumen spielte oder mit ihnen tanzte, wobei sie vermöge ihrer riesigen Körperkräfte stundenlang zugleich Orchester und Tänzerin war und mit brüllender Stimme, ohne zu ermatten, den Walzer vom „Mann mit dem Koks“ ertönen ließ. Diese Freuden waren für die Kinder so entzückend, [442] daß sie, nach einem besonders reizvollen Abend mit Flora, sich schmeichelhafterweise bei den Eltern erkundigten. „Geht Ihr nicht bald ’mal wieder aus?“

Im ganzen war Flora überhaupt stets gut gelaunt, außer wenn sie von den geheimnisvollen Besuchen des „Mah“ zu leiden hatte. Der „Mah“ war ein ostpreußischer Dämon von sonderbaren Gewohnheiten, die ungefähr denen des internationalen „Alp“ entsprachen, d. h. er wälzte sich im Schlaf auf die Menschen und drückte ihnen die Kehle zu. Von Zeit zu Zeit machte der „Mah“ denn auch Würgeversuche an der Flora, die, wie gesagt, eine namenlos üble Laune bei ihr hervorriefen. Nach Floras Versicherung hatten nur Sonntagskinder die Aussicht, von den angenehmen Beziehungen zum „Mah“ verschont zu bleiben, und da der Storch so rücksichtslos gewesen war, Flora an einem Mittwoch in dieses Jammerthal zu setzen, so sah der „Mah“ selbstredend nicht ein, warum er ihr eine bevorzugte Stellung einräumen sollte.

Diese Scharmützel mit dem „Mah“ blieben übrigens lange Zeit Floras einzige gesellige Zerstreuung. Sie ging nie aus. Sie putzte sich sonntäglich allerdings sehr schön, aber nur, um nachmittags in der Kirche zu sitzen, dann in ihrem unsäglich zerfetzten Traumbuch zu lesen oder an einer sehr häßlichen, handbreiten Spitze zu häkeln, über deren Bestimmung sie sich selbst nicht klar schien, die sie aber meterweise zu Tage förderte.

Um so überraschender wirkte es, als Flora eines Sonnabends erschien und um die Erlaubnis bat, am folgenden Sonntag nicht allein ausgehen, sondern sogar den Hausschlüssel mitnehmen zu dürfen, da „Portiers“, mit denen sie sich für gewöhnlich ungefähr so gut vertrug wie Brunhild mit Chriemhild, sie zu einem „Vergnügen“ eingeladen hätten. Natürlich wurde dieses Verlangen anstandslos bewilligt. Flora wanderte am nächsten Nachmittag ab, in einem kornblumenblauen Gewande, einen großen Rembrandthut schräg auf dem Kopf und mit weißen Handschuhen, einem Geschenk des Hausherrn, welches Flora mit unsäglichem Stöhnen und geradezu übermenschlicher Kraftanstrengung über ihre Riesenhände gezogen hatte.

Die Kinder staunten die königliche Erscheinung der Flora mit offenem Munde an und besprengten sie mit Parfüm aus ihren Riechfläschchen, um sie vollends zur Weltdame zu stempeln. Duftend und farbenprächtig zog denn Flora ab, und es sollte sich – fast hätte ich gesagt „leider!“ – zeigen, daß sie nicht umsonst so unwiderstehlich ausgesehen hatte.

Etwa drei Wochen nach diesem sorgenschweren Sonntage trat Flora zu ungewohnter Zeit bei der Hausfraü ein, schlug die Augen nieder, zupfte an ihrer Schürze und gebärdete sich wie ein verschämtes Mammut, das ein Geständnis zu machen hat.

Zur Aussprache ermutigt, gab Flora die Erklärung ab, sie habe auf dem „Vergnügen“ mit Portiers einen „jungen Menschen“ kennengelernt, der sich um sie zu bewerben geneigt sei. Da sich bei näherem Befragen ergab, daß der „junge Mensch“ achtundvierzig Lenze erblickt habe und „an der Bahn“ sei, so trug die Sache ein solides Gepräge, und es ließ sich den beabsichtigten Besuchen des Freiers nichts entgegensetzen.

„Ein sehr ordentlicher junger Mensch!“ versicherte Flora. „Wie er mir Guten Abend sagte, schlug er so mit dem Fuß aus, daß ich dachte, er wollte mich verscharren,“ ein Zeugnis für die Salonmanieren des „Scholz“ – so hieß der Glückliche – das einen Mann von feinsten Umgangsformen zu verheißen schien.

Wir waren natürlich alle sehr gespannt, die persönliche Bekanntschaft des Scholz zu machen, doch dauerte es ziemlich lange, bis uns das zu teil ward. Vorläufig wurde Flora von heftiger Vergnügungssucht ergriffen und erklärte in ihrer wunderbaren Ausdrucksweise, sie sähe nicht ein, warum sie „ihr bißchen Jugend verknatterm sollte“.

Wir sahen das auch nicht ein, und Flora wanderte allsonntäglich mit unverknatterter Jugend ab und traf sich irgendwo mit dem Scholz, so daß er für uns eine mythische Figur bleiben zu wollen schien.

An einem Sonntag aber war entsetzliches Wetter, der „Mah“ hatte die Flora gewürgt, und sie blieb zu Hause. Wir hofften schon im stillen auf ein Zerwürfnis mit dem „jungen Menschen“, es war aber nichts.

Wie der Geist im Märchen sein Erscheinen durch eine Wolke von Wohlgeruch anzukündigen pflegt, so meldete sich abends der Scholz durch einen entsetzlichen Tabaksqualm an, der aus der Küche im Erdgeschoß drang und sich mitteilsam durch die ganze Wohnung verbreitete. Die Kinder, mit der ihnen eignen Findigkeit, errieten sofort den Grund dieses Uebelstandes, stürzten mit mühsam unterdrücktem Jubel nach der Küchentreppe, pufften sich gegenseitig bis in die Nähe der Thür und wichen quieksend zurück, bis sie endlich sich überstürzend und überschreiend, ins Wohnzimmer drangen.

„Der Scholz ist da! Wir haben ihn gesehen!“

Die Hausfrau ertrug die Qualen der Neugier nun auch nicht länger. „Sagt ihr doch, sie soll ihn einmal heraufbringen!“ befahl sie.

Nach wenig Minuten trat denn auch unsere Flora an – anscheinend allein. Erst bei genauerem Hinsehen entdeckte man in ihrem Schatten ein kleines, sehr kleines, blondes, verhungert aussehendes Männchen, etwa einundeinenhalben Kopf kleiner als seine riesige Erwählte und entschieden etwas überwältigt von seinem Glück.

Flora schubste mit der ihr eignen Zartheit an dem Scholz herum und brachte ihn in den Vordergrund. Die Hoffnung, er werde sich auch vor uns so verbeugen, als wenn er uns verscharren wollte, trog leider, das schien er sich nur für Eroberungsversuche aufzubewahren. Er lächelte stumm und verlegen und schien sehr erleichtert, als er sich wieder empfehlen durfte. Bei uns hieß er von dem Tage an nur „Floras Spazierstöckchen“, denn den Eindruck machte er durchaus, wenn er mit seiner Riesin zu sonntäglichen Belustigungen abwanderte.

Wie vorauszusehen, kündigte unsere Flora uns binnen kurzem an, sie würde nun heiraten und uns verlassen. Da der „junge Mensch“ achtundvierzig Jahre und die Braut, sagen wir, nicht jünger war, so lag ja auch kein Grund vor, warum beide „ihr bißchen Jugend verknattern“ sollten, und die Hochzeit wurde auf eine nahe Frist festgesetzt.

Die Thränen der Kinder versiegten bei der Aussicht, daß Floras Ehrentag bei uns gefeiert werden sollte und die gesamte Jugend des Hauses dabei sein dürfte.

Flora begann nun mit wahrem Feuereifer für ihre Häuslichkeit mit dem „Spazierstöckchen“ Vorräte zu sammeln, die furchtbare Spitze erwies sich als für Vorhänge durchaus geeignet, wir alle schenkten natürlich auch Kleinigkeiten in die junge Wirtschaft. Schließlich erstand Flora noch auf einer Versteigerung sogar ein Klavier – für drei Thaler! – daher man sich von dem Kunstwert und der Klangfarbe des Instruments ungefähr eine Vorstellung machen kann. Auf die erstaunte Erkundigung der Hausfrau: „Aber Flora, was wollen Sie denn mit dem Klavier?“ erwiderte die Befragte seelenruhig: „Wenn es nichts anderes ist, ist es ein Tisch“ – wogegen sich ja nichts einwenden ließ.

Die Hochzeit verlief aber nun wirklich prunkend, und sogar mit einem unerwarteten Schlußeffekt, den ich meinen Lesern nicht vorenthalten will.

Der große Tag fiel in den Mai, und der Scholz hatte schüchtern, wie es ihm zukam, den Vorschlag gemacht, nach der Trauung eine Landpartie zu unternehmen.

„Er denkt sich das so schön, mit mir unter grünen Bäumen herumzusäuseln,“ sagte die zarte Braut. „Ich werde ihm was säuseln! Hübsch zu Hause geblieben wird und ‚Schloklade‘ getrunken!“

Flora sagte aus unbekannten Gründen immer „Schloklade“ statt „Chokolade“, „Appelrosinen“ statt „Apfelsinen“ und „Pöpelfleisch“ statt „Pökelfleisch“.

Also ein Hochzeitsmahl mit „Schloklade“ wurde beliebt, zu dem Flora eigenhändig ein sehr schönes und sehr fettes Gebäck, „Räderkuchen“, gebacken hatte, in dem sie besonders stark war.

Der Hausherr ließ es sich nicht nehmen, der „Schloklade“ noch eine Bowle beizufügen, und wir alle, die Kinder, Portiers und einige Kollegen vom Scholz, saßen um den festlich geschmückten Hochzeitstisch. Die Flora war natürlich auch dieses Mal die schönste Braut, die sie in ihrem ganzen Leben gesehen hatte, und nahm die allgemeinen Huldigungen herablassend entgegen. Zunächst sprach fast niemand ein Wort, wie das bei so verschieden zusammengesetzten Gesellschaften so leicht kommt. Alle tranken taubstumm und freundlich ihre „Schloklade“, und selbst die Bowle vermochte die Zungen nicht zu lösen. Nur der glückliche Bräutigam trug insofern etwas zur Unterhaltung bei, als er allen Anwesenden und vielleicht auch sich selbst zur Ueberraschung plötzlich in bittere Thränen ausbrach, von denen es bis zur Zeit unaufgeklärt blieb, ob sie der Bowle oder der Seelenangst vor seinem neuen Glück und dessen riesiger Vertreterin zuzuschreiben waren.

Die Kinder, von diesem Verfahren ermutigt – Weinen und [443] Lachen steckt bekanntlich so leicht an wie Masern – begannen jetzt auch zu schluchzen, da die Stunde herannahte, wo sie ihre Flora hergeben sollten.

Da erhob die Braut ihre Stimme und sprach die denkwürdigen Worte: „Weint nicht erst, Kinder! Man weiß ja nie, wie’s im Leben kommt! Der liebe Gott kann ja einen von uns beiden ’mal bald zu sich nehmen – und dann ziehe ich wieder zu Euch! Nicht wahr, Scholz?“

Daß der Bräutigam diesem heiteren Zukunftsplan nicht gerade mit Jauchzen und Begeisterung zustimmte, sondern sich mit der zu nichts verpflichtenden Bemerkung begnügte: „Wir werden ja sehen!“ wird ihm wohl niemand verdenken können.

Wir andern saßen natürlich „zu Statuen entgeistert“ um den Hochzeitstisch, und der eigentümliche Toast, durch den Flora diese feierliche Stille hervorgerufen hatte, diente zugleich als Zeichen für das Aufheben der Tafel.

Als dann unsere Flora mit ihrem Scholz abgeschwebt war, sahen wir dem kleinen Ehemann ungefähr mit den Empfindungen des alten Kinderliedes nach, in dem es heißt: „Putthöneken, Putthöneken, wie ward et Dir ergahn!“

Einige Wochen nach der Hochzeit schrieb Flora einen Stadtpostbrief und lud unsere Kinder sämtlich zum Kaffee ein. Die Aufregung war ungeheuer, wie man sich denken kann! Mit Vorräten an Würsten, Butter und Semmeln beladen, um den Scholzschen Haushalt durch ihren Masseneinfall nicht zu schwer zu schädigen, zog die Gesellschaft ab und kam erst ziemlich spät wieder heim, im höchsten Grade befriedigt von den gewonnenen Eindrücken.

Bei Scholzens war es „reizend“ gewesen! Sie hatten an dem gedeckten Klavier, was richtig zum Tisch herabgewürdigt war, Kaffee getrunken. Die Flora hatte Räderkuchen in ungeheuren Mengen gebacken, und alle Kinder schwärmten für den Scholz, der Reuters Werke besaß und sich als liebenswürdigster Wirt gezeigt hatte. „Und das Beste ist,“ berichtete unser Aeltester, „die Flora fürchtet sich vor dem Scholz! Der Scholz kommandiert sie wie ein Feldwebel, und als wir weggingen, mußte sie ihm die Pantoffeln anziehen.“

Und so war es! Durch welche geheimnisvollen Eigenschaften der Scholz sich ein so beispielloses moralisches Uebergewicht über seine riesige Lebensgefährtin verschafft hatte, blieb unaufgeklärt, aber die Thatsache ist nicht wegzuleugnen, daß die große Flora ganz gehörig unter dem Pantoffel stand und auf den Wink des „Spazierstöckchens“ wie ein Apportierhündchen hin und her laufen mußte.

Ob sie angesichts dieser Verhältnisse es beklagte, daß sie ihre Selbständigkeit bei uns mit den Rosenketten der Ehe vertauscht hatte, das weiß ich nicht zu sagen. Ich glaube es aber nicht, denn Scholzens machen einen sehr zufriedenen Eindruck, so daß es scheint, als hätte Flora doch zu sanfter Unterwürfigkeit mehr Talent, als wir an ihr bemerkt hatten.

Ihre schönen Ausdrücke hat sie übrigens noch beibehalten, neulich trennte sie sich von uns mit den Worten: „Jetzt muß ich aber machen, daß ich nach Hause komme, denn wenn der Scholz sein Abendbrot zu spät kriegt, macht er ein Gesicht so lang wie ein Ausziehtisch zu vierundzwanzig Personen.“

Und da hat ja der Scholz ganz recht!

Flora hat ihn übrigens vermöge ihrer vorzüglichen Küche so herausgefüttert, daß er aufblüht wie eine Rose. Und obwohl damit für uns die Aussichten auf Floras Wiederkehr geringer werden, so freuen wir uns doch seines Wohlergehens – man muß ja kein Egoist sein!