Textdaten
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Autor: Christian Ludwig Brehm
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Titel: Singschwäne
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aus: Die Gartenlaube, Heft 31, S. 452
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[452] Singschwäne. In dem noch ungedruckten Werke: „Anleitung zur Anlegung von naturhistorischen Sammlungen" des Herrn Dr. Schilling zu Naumburg, der früher Conservator am zoologischen Universitätsmuseum in Greifswald war — eine Schrift, welche wir im Voraus allen Freunden der Naturwissenschaften mit bestem Gewissen empfehlen — findet sich eine Stelle über den Singschwan, welche in diesen viel gelesenen Blättern weit verbreitet zu werden verdient. Er sagt über diesen herrlichen Vogel:

Der Singschwan, Cygnus musicus, Bechst., bietet dem Beobachter und Naturfreunde ein überaus schönes Schauspiel dar, nicht allein für dessen Auge, durch seine schöne Körpergestalt und durch die aufmerksame, kluge Weise, die sich bei ihm im Vergleiche mit dem stummen Schwan sehr vortheilhaft in seiner Kopfbewegung und Haltung ausdrückt, sowie durch sein schneeweiße Gefieder, wenn er als leichter und kräftiger Schwimmer, den blauen Wasserspiegel durchfurchend, darauf hinzieht, sondern auch dem Ohre durch die lauten, verschiedenen, reinen Töne seiner Stimme, die er bei jeder Veranlassung als Lockton, Warnungsruf und, wenn er in Schaaren vereinigt ist, wie es scheint, im Wettstreite zur eigenen Unterhaltung fortwährend hören läßt. Wenn bei starkem Frostwetter, wo die Gewässer der See außerhalb der Strömungen nach allen Seiten mit Eis bedeckt, und die Lieblingsstellen des Singschwans, die Schare (Untiefen) ihm dadurch verschlossen sind, diese stattlichen Vögel zu Hunderten in diesen offenen Wassern versammelt liegen, und gleichsam durch ihr melancholisches Geschrei ihr Mißgeschick beklagen, daß sie aus der Tiefe das nöthige Futter nicht zu erlangen vermögen: dann habe ich die langen Winterabende und ganze Nächte hindurch diese vielstimmigen Klagetöne in stundenweiter Ferne vielmals vernommen. Bald möchte man dieses vieltönige, singende Rufen mit Glockenläuten, bald mit den Tönen von blasenden Instrumenten vergleichen, allein sie sind beiden nicht gleich, sondern übertreffen sie in mancher Hinsicht, eben weil sie von lebenden Wesen kommen, und daher unserm Sinne näher verwandt sind, als die Klänge des todten Metalles.

Dieser eigenthümliche Gesang des Singschwanes verwirklicht in Wahrheit die für Dichtung gehaltene Sage vom „Schwanengesang" und er ist oftmals auch der Grabgesang dieser schönen Thiere, denn da diese in dem tiefen Stromwasser ihre Nahrung nicht mehr zu ergründen vermögen, so werden sie vom Hunger so sehr ermattet, daß sie zum Weiterziehen nach milderen Gegenden die Kräfte nicht mehr besitzen, und dann häufig auf dem Eise angefroren und verhungert, dem Tode nahe oder bereits todt gefunden werden, wobei sie dennoch bis an ihr Ende ihre melancholisch hellen Laute hören lassen.

Wie klug die Singschwäne übrigens sind, wenn sie verfolgt werden, habe ich oftmals bei der Jagd nach ihnen gesehen. Unter vielen andern Beispielen will ich nur eins anführen: Ein solches Thier, das auf dem Binnenwasser flügellahm geschossen war, rettete sich zu Fuß auf einen benachbarten Teich, und mischte sich unter die zahmen, stummen Schwäne. Wurde später auf ihn Jagd gemacht, so flüchtete er jedesmal durch ein geschicktes Manöver unter diese, die er außerdem gern mied, indem er sich, wenn er eben nicht von Schützen verfolgt wurde, lieber allein hielt.

L. Brehm.