Sie wird aber keine Hausfrau
Sie wird aber keine Hausfrau! Dieser Stoßseufzer folgt sehr oft der Freude unserer modernen Mütter über eine gute Censur, die das Töchterchen heimbringt und die den ernsten, sonst ziemlich kritisch veranlagten Vater veranlaßt, in die rosige Wange des kleinen Mädchens zu kneifen und seine mündliche Anerkennung der schriftlichen des Lehrers beizufügen. Sie wird keine Hausfrau! Sie hat zu Allem Lust und Geschick, nur nicht zu kleinen Handreichungen in der Wirthschaft, und was man ihr in dieser Richtung mit unsäglicher Mühe beigebracht, das vergißt sie über andere Dinge in kürzester Zeit wieder. Besonders Großmütterchen schüttelt über die verschiedenen Unterrichtsfächer der Enkelin bedenklich das graue Haupt. Zu ihrer Zeit wußte man in den Mädchenschulen noch Nichts von Formenlehre und Chemie; aber damals verstanden die Frauen zu
kochen und zu wirthschaften, einen Haushalt zu führen und zu – sparen.
„Das sollte man lehren in unseren höheren Töchterschulen!“ so meint das Mütterchen. „Was nützt den Mädchen Formenlehre und Chemie? Das sind doch alles Dinge, mit denen sie nach der Konfirmation nichts Besseres anzufangen wissen, als sie so bald als nur irgend möglich zu vergessen.“
Und wenn das kleine Mädchen die höhere Töchterschule verläßt und in die Pension eintritt, wenn sie Klavier spielt und Opernarien singt, daß eine Sängerin von Fach auf widerrechtliche Geschäftskonkurrenz klagen könnte, wenn die englischen und französischen Konversationsstunden kein Ende nehmen und jede Woche ein ausländisches Lesekränzchen tagt, so ist das erst recht nicht nach Großmütterchens Geschmack und sie blickt mit trüben Augen in die Zukunft. Ihr einziger Trost ist dann der, daß das Kind doch endlich einmal Schule und Pensionszeit hinter sich hat, und dann – ja, dann will Großmutter ihren Einfluß schon geltend machen, dann soll das junge Mädchen zur praktischen Hausfrau ausgebildet werden, Schlüsselbund und Pantöffelchen mit Würde tragen und als schaltendes und waltendes Hausgeistchen in Küche und Keller regieren.
Ach, Großmütterchen sieht leider, auch wenn dieser heiß ersehnte Zeitpunkt endlich herangekommen ist, daß ihr Traum ein schöner Traum war. Es giebt so viel Anderes zu thun! Die Romanlektüre, die Visiten, die Pflege der verschiedenen Talente, die Ausfahrten, die Einkäufe, der Besuch von Vorlesungen, Koncert und Oper, im Winter die Bälle und das Schlittschuhlaufen – ach, es bleibt dem armen jungen Mädchen wahrlich keine Zeit, sich zur praktischen Hausfrau auszubilden. Großmütterchen ist in Folge dessen trostlos, und ihr stehender Refrain bei Absingen ihres Klageliedes über die moderne Frauenerziehung ist. „Wie soll das zuletzt werden?“
Es ist so viel schon über dieses Thema geschrieben worden, und man sucht so viele unglückliche Zustände unserer Zeit in dem Umstande, daß die Mädchen eine verkehrte Erziehung genössen – weit über ihren Stand hinaus – aber es ist damit nicht so schlimm. Es nützt vielleicht manches nicht viel, was man mit viel gutem Willen und einigem Geschick, der „Mode“ zu Liebe, in unserer Zeit lernt, aber – es schadet auch nicht so viel, wie man annimmt.
Glaube mir, besorgtes Großmütterchen, jedes Weib ist gleich von Geburt an zur praktischen Hausfrau beanlagt, und wenn der rechte Lehrmeister kommt, wird das von dir so sehr gewünschte Studium praktischer Dinge beginnen, und zwar mit gewaltigem Eifer und Interesse. Dieser Lehrmeister ist die Liebe.
Eine Freundin von mir, ein wenig emancipirt, wollte absolut nicht heirathen, und es war ihr auch Ernst damit; denn sie hätte leicht einen Mann haben können: war sie doch jung, schön und reich.
„Ich lobe mir meine schöne, goldene Freiheit!“ sagte sie, und sie lebte auch wirklich ein herrliches, beneidenswerthes Leben der Selbständigkeit. „Werde ich kein Narr sein und im Schweiße meines Angesichtes kochen, waschen – kleine Kinder warten, Strümpfe stopfen und Oberhemden plätten – ich danke! In Deutschland ist doch nun einmal die Frau die erste Magd ihres Mannes, und ich thue absolut keine Mägdearbeit. Wer will mich dazu zwingen!“
Sie malte und hatte schon mehrere Bilder auf Ausstellungen gehabt, und diese Bilder fanden nicht nur eine sehr günstige Kritik, sondern auch Käufer. So kopirte sie einst eine Madonna, die einem städtischen Museum eigenthümlich angehörte. Sie fuhr zu diesem Zwecke täglich nach der großen Stadt, die nahe bei unserer Heimath liegt, und ich fuhr oft mit. Wir speisten dann in einem der besseren Restaurants und immer sehr gut. Auch meine Freundin gab zu, daß sie noch nirgends so ausgezeichnet gegessen habe. Der Wirth dieses Etablissements, das an Eleganz seines Gleichen suchte, sah aus wie ein englischer Lord und pflegte unter seinen befrackten Kellnern und zwischen den Tischen der Speisenden hindurch zu gehen wie ein General, der seine Truppen befehligt. Nie rührte er eine Hand an und – er sprach sieben Sprachen. Es amüsirte uns oft, wie er mit distinguirten Ausländern so gewandt konversirte und wie er diesen an Noblesse des Auftretens Nichts nachgab.
Damen gegenüber trat er sehr galant auf. Er war ihnen behilflich, die Mäntel ab- und anzulegen und sorgte ganz besonders für ihre Bedienung; auch überwachte er das ihnen Vorgesetzte mit Argusaugen – es mußte tadellos sein. Aber auch dabei sah er aus, als ob er der Dame damit eine Ehre erweise. Alice gab zu, daß er „ein interessanter Mensch“ sei.
Dagegen hingen seine Augen so nachdenklich an meiner schönen Freundin, er hielt sich so krampfhaft in ihrer unmittelbaren Nähe, musterte so wohlgefällig ihre stets gewählte, hochelegante Toilette, daß mir seine Werbung Beängstigungen eingeflößt hätte, wenn ich meiner Sache in Bezug auf Alice nicht gar so sicher gewesen wäre. Aber Alice, und heirathen – und nun gar einen Restaurateur – tausendmal nein!
„Männchen“ – dachte ich oft still bei mir, „gieb Dir keine Mühe, der Vogel läßt sich nicht fangen!“.
Bisweilen that mir der von so heißer Leidenschaft Erfüllte aber auch wieder leid.
Wer kann für seine Gefühle? Das Herz geht nun einmal ohne Paß über die Grenze.
Dann machte ich eine Badereise, und noch im Bade weilend, erhielt ich die Verlobungsanzeige meiner malenden Freundin mit dem blonden Restaurateur.
„Ja, mir ist nicht zu helfen!“ schrieb ich ihr. „Du willst heirathen? Und nun gar einen Restaurateur? Da muß doch gleich die Welt untergehen! Das Etablissement müßt Ihr natürlich schließen! Selbstverständlich wird ‚er‘ Farben reiben, während Du malst! Nein, ich bitte Dich, Du, die schwärmerische Jüngerin der heiligen Kunst!“
„Gott bewahre!“ antwortete sie, „werden wir doch nicht Narren sein und das Etablissement schließen! Malen werde ich vielleicht nur selten, aber mahlen desto mehr. Kaffee und Pfeffer –. Und was die schwärmerische Jüngerin der heiligen Kunst anlangt – so zu kochen, wie man bei meinem Schatz ißt, ist auch eine Kunst.“
Und sie heirathete – einen Restaurateur – und sie kochte selbst. Alle Gourmands der Großstadt wurden ihre Stammgäste.