Shakespeare’s Triumph in Ketten

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Titel: Shakespeare’s Triumph in Ketten
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aus: Die Gartenlaube, Heft 18, S. 307, 310
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[307]

Shakespeare’s Triumph in Ketten.
Originalzeichnung von H. Langhammer in Leipzig.

[310] Shakespeare’s Triumph in Ketten. (Mit Abbildung S. 307.) Unter der zu einem wahrhaft riesigen Umfange angeschwollenen Shakespeare-Literatur befindet sich so manches Unfruchtbare, vom Grau der Theorie Angekränkelte, daß es ein um so wohlthuenderes Gefühl ist, einmal einem Shakespeare-Buche zu begegnen, in dem man „des Lebens goldenen Baum“ frisch und voll rauschen hört. Als ein solches müssen wir Karl Fulda’s Studie „William Shakespeare“ (Marburg, Ehrhard) bezeichnen, welche nicht nur über die Stellung des großen Briten zur Weltliteratur und seinen Einfluß auf alle späteren dramatischen Dichter interessante Aufklärungen enthält, sondern auch über das äußere und innere Leben Shakespeare’s eine Fülle des Neuen und Beachtenswerthen mittheilt.

Wir können uns nicht versagen, unter Hinweisung auf unser heutiges Bild und anknüpfend an den kürzlich, wie alljährlich, gefeierten Geburtstag Shakespeare’s (23. April) aus dem Buche eine Episode wiederzugeben, welche zur Charakteristik sowohl des Dichters wie seiner Zeit von allgemeinem Interesse sein dürfte.

„Die Tradition,“ heißt es in dem erwähnten Buche, „hat folgende Nachricht über die erste Aufführung von Shakespeare’s ‚Romeo und Julie‘ in London aufbewahrt.

Das Blackfriars-Theater in London hatte den ganzen Luxus einer grotesken Decoration entfaltet, um seine Räume wo möglich glänzend herauszuputzen. Noch heller beleuchtet, als der übrige Raum war die für die Königin bestimmte Estrade, auf welcher bereits mehrere Hofdamen und Kronofficiere Platz genommen hatten. Die Zuschauer hatten sich in Menge versammelt. Der Dichter, welcher mit ‚Titus Andronicus‘, mit der Trilogie ‚Heinrich des Sechsten‘, dem ‚Sommernachtstraum‘ etc. öffentlich aufgetreten war, wollte heute in seinem ‚Romeo und Julie‘ ein noch größeres, genialeres Werk zur Aufführung bringen, welches endlich seine Verleumder zum Schweigen verurtheilen und ihm eine noch von keinem dramatischen Dichter erreichte Stelle anweisen sollte. An demselben Tage jedoch wurde Shakespeare einiger Beleidigungen halber, die er sich unvorsichtiger Weise gegen mehrere Lords zu Schulden kommen ließ, verhaftet und sollte noch an demselben Abende in den Tower geführt werden. Von Shakespeare’s Gefangennehmung war indessen im Publicum noch nichts lautbar geworden.

Das Parterre erwartete mit Sehnsucht das Aufgehen des Vorhanges, während hier und da Gruppen von Studenten, Soldaten und Matrosen sich die Zeit mit Kartenspielen vertrieben und unter Lachen und Scherzen die Alekrüge umhergehen ließen.

Die Königin erschien, umgeben von einem glänzenden Hofstaate, und gab das langersehnte Zeichen zum Anfange.

Schon im ersten Acte wurde die ganze Versammlung durch das hinreißende Interesse der Handlung dergestalt gefesselt, daß die Gegner des Dichters vergaßen, weshalb sie sich eigentlich eingefunden. Jedermann wollte wissen, wie Romeo und Julie in den Stürmen und Gefahren, welche ihnen durch Familienhaß und Zwietracht bereitet wurden, das zerbrechliche Schifflein des Glückes in den sicheren Hafen führen würden.

Das Theater erdröhnte von lautem Beifallsturme. Durch das Jauchzen und Jubeln drang Shakespeare’s Name; mit starker, kräftiger Stimme wurde gerufen: ‚Der Dichter solle selbst erscheinen, um die Glückwünsche des Publicums in Empfang zu nehmen.‘

Diesem in jener Zeit ganz ungewöhnlichen Hervorrufe folgte ein allgemeiner Ausbruch der Begeisterung. – Das Rufen und Stampfen wurde immer stärker, und der Enthusiasmus drohte in Tumult auszubrechen. Endlich tritt der Director schüchtern vor und verkündet mit zagender Stimme, daß der Dichter nicht erscheinen könne, weil er arretirt und in den Tower abgeführt worden sei.

Während diese Nachricht trotz der Gegenwart der Königin eine ernste Störung der Ruhe durch das aufgeregte Publicum befürchten ließ, führte ein glücklicher Zufall den gefesselten und von Hellebardieren umgebenen Dichter durch eine Gasse beim Theater vorüber. Er hatte bis jetzt im Gerichtshause gewartet, bis er nach Erfüllung der gesetzlichen Formalitäten in den Tower abgeführt werden konnte.

Als er hinter der Bühne vorüberging, wo seine Person eine so beispiellose Begeisterung erregte, hörte er den lauten Tumult und vernahm deutlich seinen Namen. Unbeschreiblich war der Eindruck, den diese von tausend Stimmen dargebrachte Huldigung auf ihn machte. Es trieb ihn mit unwiderstehlicher Gewalt in die halb offene Seitenthür; er machte sich Bahn durch die ihn umgebenden Hellebardiere und eilte, trotz seiner Fesseln, ihnen voraus auf die Bühne.

Die heftige Aufregung, der Glanz der flimmernden Lichter, der Anblick der bewegten, tobenden Menge – der ganze Eindruck dieses Augenblicks war von so erschütternder Wirkung auf ihn, daß er, durch die Ketten überdies in seinen Bewegungen gehindert, in die Kniee sank, die eine seiner gefesselten Hände auf den Boden stützend, während er mit der anderen dem Publicum Dank zuwinkte. Zwei Söldner, welche ihn verfolgten, blieben, durch den Anblick des überfüllten Hauses betroffen, zu beiden Seiten des Gefangenen stehen und bildeten mit Letzterem eine ergreifende Gruppe.

Bei diesem unerwarteten Erscheinen des Dichters, den der Ruf der Menge aus der Tiefe des Kerkers heraufbeschworen zu haben schien, erreichte der Jubel den höchsten Grad; Blumen und Kränze häuften sich um den Gefeierten. Selbst die Königin warf ihm eine Rose zu. Das ganze Theater schien unter dem freudigen Getöse zusammenstürzen zu wollen.

Als endlich der Vorhang fiel und das Publicum sich allmählich zerstreute, wurde Shakespeare von den Schauspielern freudig begrüßt. Aber die Hellebardiere traten jetzt ein, um ihren Gefangenen neuerdings abzuführen. Vor der zur Bühne führenden Seitenthür jedoch hatte sich eine zahlreiche Menschenmenge angesammelt, welche nicht übel Lust zu haben schien, sich als Vertheidiger Shakespeare’s aufzuwerfen und ihn durch eigene Gewalt zu befreien.

Der Tumult fing an, einen bedenklichen Charakter anzunehmen, so daß die im Theater Wache haltenden Bogenschützen zur Unterstützung der Hellebardiere beordert werden mußten. So standen die Kriegsmänner dem murrenden Volkshaufen gegenüber, in der Mitte der Gefangene, welchen zwei Hauptleute hielten, der dichtgedrängten Menge halber jedoch nicht wegführen konnten.

Schon flogen einzelne Steine auf die Soldaten, als ein Reiter, den das Volk bisher von der Hauptscene des eben ausbrechenden Kampfes fern gehalten hatte, sich endlich Bahn brach. Shakespeare erkannte seinen Freund Henry von Southampton, der den Hauptleuten zurief: ‚Gebt den Gefangenen frei, Capitains! Im Namen der Königin!‘

Ein lauter Freudenruf erhob sich von allen Seiten. Shakespeare wurde nebst seinem Freunde im Triumphe nach der in der Nähe befindlichen Syren-Taverne geführt; es wurde tapfer auf den errungenen Sieg getrunken, und selbst manche junge Lords, welche die classische Taverne zu besuchen pflegten und auch an diesem Abend den Ausgang der Dinge erwarteten, schlossen sich den fröhlichen Zechern an.“