Seltsame Freundschaft zwischen einer Katze, einem Kaninchen und einem Perlhuhn

Textdaten
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Autor: Albert Ludwig Grimm
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Titel: Seltsame Freundschaft zwischen einer Katze, einem Kaninchen und einem Perlhuhn
Untertitel:
aus: Lina’s Mährchenbuch, Band 1, S. 181–202
Herausgeber:
Auflage: 2. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: [1837]
Verlag: Julius Moritz Gebhardt
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Originaltitel:
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Quelle: Exemplar der Staatsbibliothek Berlin auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[181]
4.
Von seltsamer Freundschaft
zwischen
einer Katze, einem Kaninchen und einem Perlhuhn.

[183] Es war einmal ein gar muntres Kätzchen, das Mimi hieß, und von einem frommen Mägdlein gut gepflegt und genährt wurde. Und weil es so gar gespielsam war und gut, durft’ es oft bei dem frommen Mädchen in der Stube sein und mit ihr spielen. Das verdroß aber den Jagdhund, der Ryno hieß, und den großen Hofhund Kalif. Denn die durften nicht so viel in der Stube sein, weil sie groß waren, und nicht so artig, als das kleine Mimikätzchen.

Darum sagte eines Morgens der Jagdhund Ryno zu dem großen Kalif: „Höre, lieber Freund, ich muß dir nur sagen, ich bin recht böse über die garstige Schmeichlerin, die graue Katze; die hat sich gar gewaltig eingeschmeichelt bei unserer kleinen Herrin, und wir kriegen kein gutes Wort mehr. Die kriegt alle gute Bissen, und wird oft gar auf dem Schooße gehalten, und gestreichelt und geschmeichelt, daß ich verbersten möchte vor Neid, wenn ich’s gerade mit ansehen muß. Aber wir müssen uns Alles gefallen [184] lassen. Wenn sie gute Bissen kriegt von dem Teller der Herrin, so müssen wir oft noch lange warten, und dann kriegen wir erst nur eine schlechte Suppe von trockenem Brot und Wasser, an der Salz und Schmalz gespart ist. Und doch müssen wir für das ganze Haus arbeiten. Du bewachst es vor Dieben, und ich gehe mit auf die Jagd, daß der Jäger die Hasen und Feldhühner schießen kann, die ich ihm aufspüre. Und die Katze sitzt ruhig zu Hause, und leckt sich die Pfoten, und putzt sich den ganzen Tag, und hat das beste Leben. Denn arbeiten kann sie gar nichts. Wenn sie auch einmal ein Mäuschen fängt, so thut sie das aus Leckerei, weil es sie gern frißt, und nicht darum, daß sie die Mäuse im Hause vertilgen will. Denn das wär’ ihr ja gar ungelegen, wenn es einmal keine Mäuse mehr gäbe.“

„Ja,“ antwortete der Kalif, „ich hab’s auch schon lange gedacht; sie ist eine rechte Faullenzerin, und frißt ihr Brot in Sünden. Ich bin ihr ja auch so feind, wie du, und hätte sie gern schon manchmal oben am Halse gepackt mit den Zähnen, und sie tüchtig herumgeschüttelt. Aber die Katzen trauen uns Hunden nicht, und sind immer vor uns auf der Flucht. Und wenn ich sie auch erwischen könnte, so fürchte ich mich doch immer vor ihren langen Nägeln, womit sie einem immer nach den Augen hauen.“

[185] „Ei,“ sagte der Jagdhund, „wir müssen ihr einmal nachspüren, wo sie Nachts schläft, und sie da im Schlafe überfallen.“

„Ich weiß das wohl, wo sie schläft,“ sagte der Haushund, „aber was nützt uns das? Sie wird jeden Abend in das kleine Stübchen neben der Waschküche gesperrt, weil es da oft von dem Kessel warm ist, der neben an der[1] Wand steht. Denn das wissen unsere Herrschaften wohl, daß die Katzen gern im Warmen liegen. Da dürfen wir auch nicht hinein, als nur bei Tage, wenn es einmal offen steht.“

„Und wenn wir auch hinein dürften, und wenn wir sie auch kriegen könnten,“ sagte Ryno, „so dürfen wir ihr öffentlich nichts thun; denn wenn es herauskäme, daß wir es gethan haben, so sind wir nur übler dran, und werden desto schlimmer gehalten, oder werden vielleicht gar vom Jäger todt geschossen.“

„So müssen wir sie denn ganz gehen lassen?“ fragte der Haushund Kalif, „das ist doch ärgerlich! Ich möchte gar zu gern hinter sie.“

„Sei nur ruhig,“ antwortete Ryno. „Ich weiß was. Wir müssen sie durch List um die Gunst ihrer Herrin bringen. Das wird am besten helfen.“

[186] „Ja, durch List?“ sagte Kalif. „Wie sollen wir aber das anfangen?“

„Das weiß ich selbst noch nicht,“ antwortete Ryno, „aber mit der Zeit wird’s schon eine Gelegenheit geben. Hab nur Geduld, und gib du nur Acht, was im Hause vorgeht, wenn ich auf der Jagd bin. Wenn ich dann am Abend nach Hause komme, dann erzählst du mir Alles. Vielleicht find’ ich dann leicht etwas, wodurch wir der grauen Schmeichlerin einen rechten Possen spielen können!“

Damit gingen die zwei neidischen Hunde auseinander. Ryno mußte mit dem Jäger auf die Jagd, und der große Kalif wurde wieder am Thore an die Kette gelegt, wo er immer den Tag über liegen mußte.

Als der Jagdhund aber nach Hause kam, und der Haushund am Abend auch wieder von seiner Kette gelös’t war, daß er die Nacht im Hofe herumlaufen konnte, fragte Ryno den großen Kalif: „Nun erzähle! was hat es Neues gegeben den Tag über?“

„Ach,“ sagte der Hofhund, „nicht viel. Ich weiß eigentlich gar nichts, als daß des Herrn Schulmeisters Wilhelm unsrer kleinen Herrin einen Hasen geschenkt hat, den sie ein Seidenkaninchen nannten. Und der ist jetzt auch daneben in das kleine Stübchen eingesperrt. Sie hat eine gewaltige Freude an ihm, wie es scheint; denn sie ist gleich [187] in den Garten gesprungen, und hat ihm Krautblätter und Klee geholt.“

„Ei,“ fragte der Jagdhund begierig, „wo schläft denn da heute die garstige Katze?“

„Wo wird sie schlafen?“ brummte da der große Kalif, „das Stüblein ist groß genug, sie haben alle Beide Platz genug darin.“

„O, das ist gar gut,“ sagte Ryno, „da wird unsere Feindin, die Katze, gewiß bald um die Gunst unserer Herrin kommen. Denn die Katzen und die Kaninchen leben mit einander in Feindschaft, und die Katzen sind stärker, als die Kaninchen. Wenn sie nun diese Nacht das Kaninchen todt beißt und auffrißt, wie das die Katzen so gern thun, dann kriegt sie morgen gewiß tüchtige Schläge, und wird in Zukunft gewiß nicht geschmeichelt. Wenn sie es aber nicht frißt, so sehen doch die Leute morgen, wie sich das Seidenhäschen vor ihr fürchtet, und dann ist’s eben so gut, als ob sie es gefressen hätte, und noch besser!“

„Ei, wie kann denn das eben so gut sein?“ fragte der Haushund Kalif.

„Ja!“ antwortete Ryno, der Jagdhund, „es ist eben so gut und noch besser. Denn wenn hernach einmal niemand im Hofe ist, und das Kaninchen da herumspringt, dann fang ich’s, und fresse es selbst auf. Aber den Kopf [188] und die Haut schleppe ich in den Heukorb in der kleinen Stube, wo die Katze immer liegt, und dann wird unsre Herrin und Jedermann glauben, sie habe das Kaninchen gefressen, weil man gesehen hat, wie sich das Kaninchen vor ihr fürchtete, und daß sie eine Feindschaft gegen einander tragen.“

„Das ist wahr!“ sagte Kalif. „So verliert sie auf jeden Fall die Gunst unserer Herrin. Ach, das ist recht gut, daß du das so ausgedacht hast. – Aber,“ fragte er weiter, „wenn sie nun morgen recht freundlich zusammen wären, und das Kaninchen sich nicht vor der Katze fürchtete?“

„Ei, wo denkst du hin?“ rief da der Jagdhund lachend. „Das müssen wir Jäger verstehn, das geschieht meine Lebtage nicht.“ Und damit gingen sie beide von dannen, und warteten, bis der Tag anbrach.

Aber die Katzen haben feine Ohren, die hörens ja, wenn ein Mäuslein ganz sacht aus seinem Loche hervorschleicht. Darum hörte auch das graue Kätzchen in der kleinen Stube gar deutlich, was die beiden Hunde miteinander sprachen, und war traurig und dachte für sich: „O weh, jetzt bin ich übel dran, jetzt bin ich verloren, ich mag’s machen, wie ich will. Ja, ein Ausweg wäre freilich da, wenn ich Freundschaft mit dem Kaninchen machte, und [189] morgen, wenn wir herausgelassen werden, recht freundlich mit ihm wäre, und es freundlich mit mir wäre, und sich nicht vor mir fürchtete, und nicht scheu vor mir davon liefe. Dann dürfte der Jagdhund nicht trauen, ihm etwas zu thun, weil die Leute dann nicht glauben würden, daß ich meinen Freund umgebracht hätte.“

Indem es so dachte, sah es hin nach dem Seidenkaninchen. Das saß traurig hinter einem Siebe in einer Ecke des kleinen Stübleins, und das Herz klopfte ihm, und es mußte sehr hart schnaufen vor Angst.

Da rief ihm das Kätzchen zu: „Lieb Seidenhäschen, warum bist du so bange? Ich thu dir ja nichts.“

„Ach,“ sagte das Kaninchen, „du hast mir freilich noch nichts gethan, aber ich fürchte mich doch gar sehr. Denn ich weiß ja wohl von meiner Mutter, die hat mir gesagt, daß ihr Katzen den Kaninchen nachstellet und uns umbringet und freßt. Und wenn du mich auch nicht umbringst, so weiß ich doch, daß ich noch einen Feind hier habe, der nach meinem Fleisch trachtet, so wird der große Jagdhund mich fressen.“

„Hast du denn auch gehört, was die zwei garstigen Hunde eben mit einander sprachen?“ fragte da fröhlich das Mimikätzchen.

„Freilich!“ antwortete das Seidenkaninchen. „Wir [190] Thiere vom Hasengeschlechte haben gar große, lange Ohren, damit wir Alles besser hören können, was uns Gefahr droht, weil wir wehrlos sind, und uns nicht vertheidigen können. Ach, ich hab’ alle Worte verstanden.“

„Ei, das ist dann ja gar gut,“ sagte das Kätzchen, „da hast du ja selbst gehört, was es mir schadet, wenn ich dich fresse, oder dir irgend ein Leid zufüge. Da wird meine Herrin böse auf mich, und jagt mich von sich, und läßt mich nicht mehr in die Stube zu sich, und füttert mich nicht mehr, und streichelt mich nicht mehr. Ach, und das wäre mir ja so gar leid, denn sie ist so lieb und gut, und spielt so schön mit mir, und streichelt mich so sanft, denn sie hat gar ein weiches Händchen, das thut mir gar zu wohl, wenn sie mir damit über den Rücken streicht. – Sieh, darum wollt’ ich dir nichts thun, wenn ich auch drei Tage Hunger gelitten hätte. Drum sei nur fröhlich, du gutes Thierchen, und fürchte dich nicht, so thut dir auch der garstige Hund nichts. Denn wenn er sieht, daß wir freundlich zusammen sind, so darf er dir ja nichts thun, sonst merkens gleich die Leute, daß er’s gethan hat, und dann kriegt er Schläge vom Jäger. Darum komm nur hinter deinem Siebe hervor, und sei ohne Furcht! Komm, wir wollen Freundschaft schließen mit einander.“

Als sie das gesagt hatte, kam sie unter dem Ofen hervor, [191] und das Seidenkaninchen ging auch hinter seinem Siebe hervor, und schmeichelten einander, und versprachen sich Treue und Freundschaft so lange sie lebten.

Und als nun am andern Morgen die Hunde angebunden waren, kam das fromme Mädchen, die Herrin der Thiere, und machte das kleine Stübchen auf, und rief der Katze: „Mimi, Mimi, Mimikätzchen, komm!“ und dem Kaninchen rief sie: „Hänschen, Hänschen, komm.“ Da sprang das Kätzchen und das Kaninchen aus dem Stübchen heraus in den Hof, und schmeichelten ihr, und waren gar freundlich mit einander, und spielten mit einander, und sprangen einander nach, und purzelten über einander herum, und zogen sich im Spiel einander an den Ohren, die Katze das Kaninchen, und das Kaninchen die Katze, daß das Mädchen sich sehr darüber freute, und seiner Mutter hinauf rief: „Mutter, liebe Mutter! komm doch, und sieh mein Mimikätzchen und mein Hänschen mit einander spielen!“

Da kam ihre Mutter herab, und brachte einen Teller mit Milch, und stellte ihn hin, und lockte den beiden freundlichen Thieren, und ließ sie die Milch trinken. Da setzten sie sich recht einträglich zusammen hin, und schlappten mit ihren Zünglein die Milch, und das Kätzchen knurrte nicht, wie es sonst die Katzen thun, wenn andere Thiere [192] mit ihnen fressen wollen. Und als sie fertig waren, spielten sie wieder einträchtig zusammen.

Aber als die beiden Hunde das sahen, ärgerten sie sich gewaltig an ihren Ketten, und Ryno sprach zu Kalif: „Das ist was Unerhörtes, das ist noch nie geschehn, seit es Katzen und Kaninchen in der Welt gibt, daß sie einträchtig bei einander waren oder gar mit einander spielten. Davon hab ich noch kein Beispiel gehört.“ Und als sie am Abend von ihren Ketten gelassen wurden und zusammen kamen, sagten sie zu einander, daß nun ihr Anschlag vereitelt sei, und daß sie auf eine bessere Gelegenheit warten müßten.

Das hörten aber die Katze und das Kaninchen auch wieder, und freuten sich darüber, und spielten am andern Tage wieder untereinander, und gefielen dadurch ihrer Herrin immer mehr, und wurden von ihr recht wohl gehalten.

So ging es etliche Tage. Da bekam das gute Mädchen auch einmal aus der Stadt von einem vornehmen Herrn ein Perlhuhn geschickt. Denn die Leute wußten wohl, daß sie die Thiere so lieb hatte und gut pflegte. Weil es aber keinen andern Stall für das Perlhuhn hatte, ward dieß auch am Abend in die kleine Stube neben der Waschküche gesperrt, zu der Katze und zu dem Kaninchen. [193] Aber das Perlhuhn war beim Abschied von seiner Mutter, die es aus einem Ei gebrütet hatte, gewarnt worden, es sollte sich vor den Katzen hüten, die stellten den jungen Hühnern gar gerne nach. Darum flog es gleich auf den Ofen, und dachte: „Hier kann sie mich nicht so leicht kriegen. Und wenn sie auch herauf springt, so kann ich ihr doch noch entwischen; so flieg ich nur in die Höhe, und fliege oben herum an der Decke; und wenn sie wieder vom Ofen hinunter springt, so setz’ ich mich wieder darauf, und ruh aus, bis sie wieder kommt. Und so soll sie mich schon nicht kriegen.“

Aber die Katze saß mit dem Kaninchen unter dem Ofen, und sagte zu dem Kaninchen ganz heimlich: „Hast du den Vogel gesehen auf dem Ofen?“

„Ja,“ sagte das Kaninchen, „er wird uns doch nichts thun?“

„Nein!“ antwortete die Katze. „Aber ich will ihm was thun. Ich will die Nacht, wenn er schläft, hinaufspringen und will ihn würgen und rupfen und fressen. Jetzt, gute Nacht! jetzt will ich erst noch ein Stündchen schlafen.“ Und damit machte [194] sie die Augen zu, und fing an zu schnurren und schlief ein.

Aber die beiden Hunde liefen wieder im Hofe herum. Da sagte der Haushund Kalif zu dem Jagdhund Ryno: „Potz, ich hätte beinahe vergessen dir’s zu erzählen! es ist heute ein gar garstiger Vogel gebracht worden, der ganz buckelicht aussieht. Ich weiß nicht, sind’s blos die Federn, die ihm so buckelicht auf dem Rücken stehen, ober ist’s wirklich ein Buckel. Die Menschen haben ihn ein Perlhuhn genannt. Es ist aber kein Huhn, wie unsere Hühner, die da im Hofe gewöhnlich herum laufen.“

„Ja, ja,“ sagte der Jagdhund, „ich kenne die Perlhühner wohl.“

„Und das ist auch in der kleinen Stube eingesperrt worden;“ fuhr Kalif fort.

„Auch?“ fragte Ryno. „Nun, das wird die Katze diese Nacht schon fressen, oder ich freß’ es, sobald es in den Hof kommt, und trage seine Federn in den Korb hinter dem Ofen. Dann kommt der Verdacht auf die Katze, und sie wird von unsrer Herrin dann gewiß gejagt. Denn die [195] Perlhühner sind ausländische Vögel, und werden von den Menschen gar hoch gehalten.“

„Ja,“ sagte Kalif, „wenn sie aber morgen früh auch freundlich zusammen spielen?“

„Das wäre freilich nicht gut. Dann dürft’ ich ihm auch nichts thun,“ sagte Ryno, „denn alsdann käm’ auch der Verdacht nicht auf die Katze, und man würde gleich vermuthen, daß ich’s gethan hätte, und ich bekäme vom Jäger gar jämmerlich Schläge. Aber das geschieht nicht. Das ist nicht möglich, daß ein Vogel seine angeborne Furcht vor der räuberischen Katze ablegen kann, besonders wenn er noch jung ist. Die Alten können sich schon manchmal gegen die Katzen wehren.“

Das Kaninchen hatte aber die Augen noch auf, und wachte noch, und hatte zugehört, was die beiden Hunde mit einander sprachen. Da schüttelte es die Katze, daß sie aufwachte, und erzählte ihr Alles, und sagte: „Du darfst nun dem Perlhuhn nichts thun; es möchte dir Schaden daraus entstehen.“

„Ja, es ist wahr!“ antwortete die Katze. „Aber wie mach ich’s, daß das Perlhuhn seine Furcht vor mir verliert. Denn wenn man morgen diese Furcht vor mir sieht, und [196] der garstige Jagdhund das Perlhuhn frißt und die Federn in meinen Korb trägt, so wird unsere Herrin gewiß glauben, ich hätte es gewürgt, was ich aber jetzt nicht thue, so gern ich möchte. Ich hatt’ es vorhin nicht so recht überlegt.“

„Ei,“ antwortete das Kaninchen, „das Perlhuhn schläft jetzt recht fest. Steige nun recht sachte hinauf, daß es dich nicht merkt, und setze dich neben es hin, und stell’ dich, gleich als ob du schliefest. Wenn du es aufweckst, so erschreckt es, und fliegt gleich weg, und glaubt, du wolltest es fressen. Wenn es aber dann von selbst erwacht, und dich neben sich schlafen sieht, so merkt es doch, daß du es nicht umbringen wolltest. Und wenn es dann auch erschrickt, und herunter fliegt, so stell dich nur, als ob du fortschliefst. Dann will ich ihm schon Alles erzählen, was die Hunde für Anschläge wider uns haben.“

Dieser Vorschlag gefiel der Katze aber sehr wohl, und sie dankte dem Kaninchen, ihrem Freunde, recht herzlich, und stieg ganz still und unbemerkt auf den Ofen, und setzte sich neben das Perlhuhn, und schlief ein. Und als das Perlhuhn aufwachte, und etwas neben sich schnurren hörte, und sich umsah, da sah es die Katze neben sich sitzen, und erschrack sehr. Als es aber herunter fliegen wollte, sah es [197] sich noch einmal um, und merkte, daß die Katze schlief. Da dachte es: „Die Katze muß doch nicht so böse seyn, als mir meine Mutter gesagt hat. Denn diese hätte mich nun im Schlafe erwürgen können, wenn sie gewollt hätte, und sie hat’s doch nicht gethan. Aber ich will doch hinunter fliegen, es ist doch besser!“ und flog von dem Ofen herunter. Aber die Katze schlief fort.

Da rief das Kaninchen aus seinem Korbe hervor: „Guten Morgen, Perlhuhn! Ei, du hast ja gar früh ausgeschlafen?“

„Ja,“ sagte das Perlhuhn, „ich wäre vielleicht wieder eingeschlafen; aber da sitzt eine Katze oben auf dem Ofen, und der trau ich doch nur halb.“

„O,“ sagte das Seidenhäschen, „der darfst du auch ganz trauen. Die thut dir gewiß nichts. Sieh, ich bin ja auch wehrlos, und die Katzen stellen uns Thieren vom Hasengeschlechte eben so sehr nach, als euch Vögeln, und doch schlafe ich ganz sicher. Und wir liegen dazu noch meistens zusammen in einem Korbe.“

Da fragte das Perlhuhn: „Wie kommt das, daß ihr so vertraut zusammen worden seid?“ Und das Kaninchen erzählte ihm die Geschichte, wie die beiden Hunde der Katze feind wären, und sie gern um die Gunst der Herrin bringen [198] möchten, und erzählte ihm auch, was sie gestern Abend schon wieder gegen das Perlhuhn beschlossen hatten.

Aber das Perlhuhn fürchtete sich doch immer noch, und sagte: „Darf ich dir denn auch glauben? oder hast du vielleicht mit der Katze einen Anschlag gegen mich gemacht, wie ihr mich nur sichrer umbringen mögt!“

„Nein, nein, gewiß nicht!“ sagte das Kaninchen. „Sieh, die Katze hätte dich ja am sichersten im Schlafe umbringen können, wenn sie gewollt hätte. Denn gesehen hat sie dich gar wohl, die Katzen sehen ja auch im Dunkeln. Was sollten wir da noch weiter für einen Anschlag gegen dich gemacht haben? Wenn du mir aber nicht glaubst, so komm nur her, und sieh mir in die Augen. Ich kann dir offen und ehrlich in’s Gesicht sehen, und das könnt’ ich nicht, wenn ich gelogen hätte.“

„Nein, ihr seid aufrichtige Thiere!“ sagte das Perlhuhn. „Aber ich will doch noch eine Probe machen, und will hinauf fliegen und die Katze wecken, und schnell wieder fort fliegen. Wenn sie im Aufwachen gleich mit den Krallen nach mir hackt, so glaub’ ich dir nicht, und werde mich in Zukunft vor dir und deiner Freundin zu hüten wissen. Bleibt sie aber gutmüthig liegen, und streckt sich blos, so [199] will ich dir glauben, und will auch Freundschaft mit dir und der Katze schließen.“

Und damit flog das Perlhuhn auf den Ofen, und schlug die Flügel auseinander, damit es schnell fortfliegen könnte, und pickte der Katze auf die Stirn, und als es sah, daß die Katze die Augen aufschlug, flog es fort. Die Katze hatte aber schon lange gewacht, und hatte Alles mit angehört. Darum stellte sie sich nur, als ob sie eben aufwachte, und stellte sich auf, und stellte die Füße ganz nahe zusammen, und machte einen Buckel, und streckte die Vorderfüße darauf aus, und bog den Leib vorn bis auf den Ofen nieder, und streckte auch ihre Krallen weit aus; und sperrte ihr Maul auf und gähnte, und sagte dabei: „Guten Morgen, liebes Kaninchen! guten Morgen liebes Perlhuhn! Ei, du brauchst dich nicht zu fürchten, denn ich thue dir nichts. Komm, laß uns recht gute Freunde seyn, denn wenn du dich heute im Hofe vor mir fürchtest, so hat der Jagdhund Ryno beschlossen, dich zu fressen, um mich in den Verdacht zu bringen, als hätte ich’s gethan.“ Und als sie das gesagt hatte, sprang sie hinunter in den Korb, und spielte mit dem Kaninchen. Da kam auch das Perlhuhn gelaufen, und sagte: „Ich will dir’s glauben. Kommt, laßt mich auch Freundschaft mit euch machen!“ [200] Und es sprang auch in den Korb. Und sie wälzten sich alle drei auf dem Heu herum, und zuweilen ging eines von ihnen hinaus, und die Andern spielten, als wollten sie es nicht mehr herein lassen, und liefen sie dann wieder einander nach, und spielten so lange, bis die Thüre geöffnet wurde.

Aber das Mädchen hatte die Thüre aufgethan, und hatte grüne Krautblätter für ihr liebes Kaninchen mitgebracht, und warf sie gleich vor die Thüre in den Hof. Und das Kaninchen fing gleich an zu fressen. Da kam aber die Katze, und spielte mit ihm, und das Perlhuhn kam auch, und faßte das Blatt, woran das Kaninchen nagte, mit seinem Schnabel und zerrte daran, als wollte es ihm dasselbe nehmen, und spielten hernach mit einander, und liefen einander nach, und purzelten über einander. Und das Perlhuhn pickte dem Kaninchen in’s Ohr, aber so, daß es ihm nicht wehe that, und zog es daran, und die Katze rannte nun das Perlhuhn wieder um, und das Perlhuhn lief der Katze wieder nach, und die Katze legte sich, als ob sie sich fürchte. Da stellte sich das Perlhuhn auf sie, und pickte sie zum Scherz, und dann wälzte sich die Katze, und warf das Perlhuhn herunter, und so machten sie hunderterlei Späße, woran sich das Mädchen gar sehr [201] ergötzte, und ihre Mutter wieder rief, die sich auch darüber freute und wunderte. Und als der Vater aus der Stadt kam, wo er immer viel Geschäfte hatte, da zeigte ihm das Mädchen auch ihre Thiere und deren possirliches Spiel. Und der Vater freute sich auch darüber. Und wer kam, und die drei Thiere mit einander spielen sah, wunderte sich, daß so fremdartige Thiere so vertraulich und freundlich zusammen seyn konnten, und ergötzte sich über sie. Und so wurden sie ihrer Herrin immer lieber, und wurden von ihr gar sorgsam gepflegt.

Aber die Hunde ärgerten sich und gaben es auf, der Katze zu schaden, und ließen die Thiere in Friede zusammen leben. Ja, am Ende ergötzte ihr Spiel sogar den alten Kalif, den Haushund, so sehr, daß er sich selbst in ihr Spiel mit einmischte. Und besonders ward er dem guten Hännschen, dem Kaninchen gar hold. Er nahm es oft zwischen seine Pfoten, und ließ sich von ihm necken auf allerlei Weise, und sich sonst manche Kinderei von dem lustigen Hännschen gefallen. Aber Ryno, der Jagdhund, blieb den Thieren immer noch innerlich böse, und hätte sie gern zerrissen, wenn er nur gedurft hätte. Er wurde aber gar sorgfältig gehütet, daß er’s nicht konnte, und durfte nie allein bei den Thieren seyn. Deßwegen war ihm auch [202] das fromme Mädchen nie mehr so gut, als dem ehrlichen Haushund Kalif, und den andern frommen Thierchen, die sich durch ihre Freundschaft so vor den bösen Anschlägen der Hunde geschützt hatten.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: der der