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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

     Im Hofe lag ein Zimmermann

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     im Mittagsschlummer hingestreckt,

     vom Fuße bis zum Hals hinan
     mit seinem Lederschurz bedeckt.
Den wollte nun der Fürst erküren,
und mit des Narren Schelle zieren.

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     Der Kurfürst spricht zum andern Mal:

     „Hol’ mir den Zimmermann herauf!
     Für dich ist weiter keine Wahl;
     dein lustig Amt hört ernsthaft auf.
Der Mann hat lang sich plagen müssen,

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und wird sein Glück zu nützen wissen.“


     Der Narr vor Schreck steht starr und bleich,
     und sinnet lang, und spricht sodann:
     „Doch, Herr, wie nun, ihr irrtet euch?
     todt wäre jener Zimmermann?

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Müßt’ ich dann auch an seine Stelle?

Herr, oder bliebe mir die Schelle?“

     Der Kurfürst spricht: „Er schlummert blos,
     doch wär’ er todt von ohngefähr,
     dann freilich wärst der Axt du los,

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     und bliebst mein Narr, so wie bisher.

Jetzt rasch, und hol’ ihn her zur Stelle,
und gieb’ ihm Pritsche, Kapp’ und Schelle!“

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_130.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)