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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

Der Landvoigt Heinrich 1) reitet
     frühmorgens in den Wald,
laut klaffen seine Rüden,
     sein silbern Hiefhorn schallt.

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Er sprenget dem Gefolge

     ein fein Stück Wegs voraus,
da stöbern seine Rüden
     ein Bärenlager aus.

Wild stürzt heran die Bärin,

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     anhält der Voigt sein Roß,

und schießt nach ihr den Bolzen,
     doch fehl geht sein Geschoß.

Rasch aus der goldnen Scheide
     reißt er sein blankes Schwert,

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das ihm im Schimpfturniere

     die Kaiserin verehrt.

Schon ist die Bärin nahe!
     Er hetzt die Rüden an,
die packen jach im Nacken

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     das Thier mit scharfem Zahn.



[Ξ] 1)

Landvoigt Heinrich. Die kaiserlichen Voigte, welche seit Ende des 10. oder Anfang des 11. Jahrhunderts über das, nach ihrer Würde benannte Voigtland erst auf Lebenszeit, bald aber erblich, herrschten, hießen alle Heinrich Reuß. Da aber die Zeit der Entstehung Schönecks nicht genau zu bestimmen ist, so bleibt auch ungewiß, welcher von diesen Heinrichen hier zu verstehen sey, vielleicht Heinrich der Reiche, der Stammvater derer von Weida, welcher in Urkunden von 1140 bis 50 oft genannt wird.

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 091. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_091.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)