Wilhelm Mannhardt (Hrsg.): Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde, Band IV | |
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abgeholt wurde, und legten jedesmal zum dank eine semmel hinein. als aber einmal jemand die semmel aus der pfanne genommen und dafür einen dreck hineingelegt hatte, hörte die nachbarliche freundschaft auf. doch blieben sie noch dort wohnen, bis in Ostritz die ersten glocken aufgezogen wurden. den ton der großen glocke aber konnten sie nimmer vertragen und wanderten aus, alle zusammen mit sack und pack und verließen den berg. ihren weg nahmen sie durch die altstadt von Ostritz von morgen nach abend[WS 1] und haben auf diesem zuge melkgelten[WS 2] auf dem kopfe gehabt statt der hüte.
Anmerkung. Noch zeigt man in Ostritz einen weg zwischen zwei häusern, den sie einschlugen. oft erwähnt man ihrer noch sprichwörtlich, wie daß man von einem sagt, der recht kurze kleider hat: ‚er geht wie ein feensmännel.‘
Andere sagen, daß auch noch später welche gesehen worden sind, die man zurückgelassen hat, die im Venusberge verwahrten schätze zu bewachen. einmal zur christnacht sah ein vorübergehender den berg sich öffnen, drin saßen die feensmännel auf großen goldhaufen und riefen ihm zu:
greif ein’ griff
und streich ein’ strich
und packe dich.
er hat sich’s aber nicht getraut.
Anmerkung. Der berg ist gleich dem benachbarten Borsberge eine alte heidnische opferstätte (Pescheck im N. L. magaz. 1838[L 1]). ob der name des berges und zwerges von Venus oder Fee abzuleiten, ist viel unnöthig gestritten worden. die göttin, deren diener die zwerge sind, heißt ebenso oft Fee als Venus. es ist aber die weiße frau, frau Holle. in der christnacht, wo der wilde jäger zieht und mit ihm frau Holle, öffnen sich alle geheimnisse des berges. sollte vielleicht der name Ostritz auf den dienst der Ostara schließen lassen? Warum überhaupt ist die göttin selber nicht erwähnt? es scheint, daß sie zu zeitig den berg verließ und wie in der wirklichkeit, so auch in der sage – in’s kloster ging – zur hl. Maria wurde. nicht zufällig ist nämlich an dieser heidnischen opferstätte, die sicher noch lange zeit ein zufluchtsort der götzendiener war, das kloster Marienthal gegründet worden.
Anmerkungen (Wikisource)
verwiesene Literatur (unvollständig)
- ↑ Der Opferhügel bei Ostritz, der Venusberg genannt. In: Neues Lausitzisches Magazin 1838, S. 282–292 Google
Wilhelm Mannhardt (Hrsg.): Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde, Band IV. Dieterische Buchhandlung, Göttingen 1859, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_deutsche_Mythologie_und_Sittenkunde_-_Band_IV.djvu/222&oldid=- (Version vom 1.8.2018)