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Izdubar kommt mit Arad-Ea nach Uruk-Supuri. Auf der XII. Tafel beweint und beschwört Izdubar seinen Freund Eabani. Der Geist des Toten steigt endlich aus seinem Grab und berichtet über das Schicksal des Menschen nach dem Tode.

Diese überseeische Fahrt des Helden Izdubar ins Jenseits kann wohl nicht als die unmittelbare Vorlage des Mârchens gelten: es fehlen ihr die unterwegs von Helden gesammelten Fragen, auf welche Aarne ein besonderes Gewicht legt. Trotzdem lassen sich auffallende Ähnlichkeiten zwischen diesem alten Text und dem Märchen nicht verkennen. Aarne selbst hat für die Urform des Märchens (S. 180) ausdrücklich nur jene Einleitung als massgebend gefunden, in welcher ‘ein armer Mann, dem alles misslingt, in die weite Welt wandert, um Gott (das Glück) aufzusuchen, um von ihm Linderung seines schweren Lebens zu erhalten’. Diese Einleitung stimmt überraschend mit jener des Izdubar-Epos überein. Izdubar findet auch, dem Helden des Märchens gleich, unterwegs einen köstlichen Baum, ein Mädchen in einem Schloss an dem Ufer des Meeres, unternimmt mit dem Fährmann der Gottheit eine gefährliche Überfahrt zu seinem göttlichen Ahn, von welchem er ‘Linderung seines schweren Lebens’ erhält. Selbst der (versiegende?) Brunnen wird auf dem Heimwege erwähnt. Der Held kehrt geheilt und in einem neuen Gewande zurück.

Durch eine sorgfältige Vergleichung sämtlicher Einzelheiten der volkstümlichen Texte liesse sich wohl noch manches finden, was an die uralte literarische Fassung erinnert. Diese spezielle Arbeit der weiteren Forschung überlassend, erlaube ich mir nur auf zwei auffallende Züge der čechoslawischen Volksüberlieferung aufmerksam zu machen. In der handschriftlichen Sammlung walachischer Märchen von Peck, welche in dem Archiv des Čechoslawischen ethnographischen Museums in Prag aufbewahrt wird, findet sich ein Text (Nr. 22), in welchem der König seinen vorbestimmten Schwiegersohn auf eine Insel um eine Wunderblume schickt. Der Knabe wird auf der Insel von bösen Frauen bedroht, von seinem Gevatter gerettet, bringt jedoch die Blume nicht. In der Sammlung von slowenischen Märchen aus der ungarischen Slowakei (Škultety und Dobšinský, 2. Aufl. von K. Salva, Ružomberk 1891 Heft 6, S. 163) kommt der Held zu zwei zusammenstossenden Felsen, welche ihn anfangs nicht durchlassen wollen. Er lässt sich dann ein Schiff bauen, fährt über ein gefährliches Meer und landet in einer ‘anderen Welt’.

Die endgültige Lösung der Frage, auf welcher Grundlage, oder richtiger auf welchen Grundlagen, die drei Typen des Märchens von der überseeischen Fahrt zu dem übernatürlichen Wesen entstanden sind, wird wohl noch viel Arbeit erfordern.


III. Zwei böhmische Volksbücher.

Die Heinrichslegende und die italienische Novelle von Florindo und Chiarstella sind zu Volksbüchern geworden, welche auch in der Volkstradition

Empfohlene Zitierweise:
Fritz Boehm (Hrsg.): Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 29. Jahrgang. Behrend & Co., Berlin 1919, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_des_Vereins_fuer_Volkskunde_29_035.png&oldid=- (Version vom 26.9.2018)