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bald die Ziege und die wilde Feldtaube, bald das Rind und Pferd und der Savannenhirsch in seinen drei und vier Abarten, bald der Mensch mit seinem der wilden Natur aufgedrückten, geistigen Stempel; bald lehnt sich an den blendenden, schattenlosen Strand der tonlose, stimmungsfeierliche Palmenwald, und bald drängt sich bis zu dem Scheitel der Gebirge hinan der ununterbrochene, wilde Wald, mit seinen blutgierigen Bestien.

Den werthvollen, zum wichtigen Handelsartikel gewordenen Produkten der Hochwaldvegetation, welche wir auf dem Markte von Maracaibo bereits in dem Gelb-, dem Bau- und Farbeholz und namentlich in dem Balsam des Copaivabaumes kennen gelernt, reihen sich aus den Waldumgebungen der Lagune die werthvolle Quassia- und Simarubarinde, sowie der duftende Tolubabalsam des kleinen Myroxilonbaumes. Das höchste Produkt des menschlichen Kulturfleißes gipfelt in der unvergleichlichen[WS 1] Cacaofrucht; am reichsten aber lohnt denselben bei den genügsamsten Ansprüchen an Kraft- und Geldopfern die in allen ihren Bestandtheilen verwendungsfähige, herrliche Cocospalme; die Mutterbrust der ersten aufwachsenden Menschheit. Jedoch auch die flimmernd heißen, durstig-klaffenden Cactuswüsten unterwerfen das Weltmeer kreuzende Segel ihrem Dienste; der transatlantischen Industrie liefern sie den Dividivi, dessen farbstoffhaltige Schooten in der Umgegend von Maracaibo in Menge gepflückt und ausgeführt werden. Außerdem wächst in jenem schattenlosen Gestrüppe eine kleine baumartige Caesalpinie (Retinophloeum viride), die auf Stamm und Zweigen einen grünen, über eine Linie dicken, firnißartigen Harzüberzug trägt; derselbe schützt, wie der lederartige Hautschlauch der wasserreichen Cactuspflanzen, die inneren Saftgefäße gegen die aufsaugenden, verzehrenden, heißen Sonnenstrahlen der trockenen Jahreszeit. Während der Regenzeit wird die Harzschicht verdrängt durch ein sich neubildendes Rindengewebe, das in der folgenden trockenen Jahresperiode sich wiederum in Harz verwandelt. Das Harz wird abgeschält und gesammelt und zum Schiffsbau als Pech benutzt.

Der eisenkieshaltige Boden giebt an manchen Stellen dem Wasser, das sich in den Vertiefungen ansammelt und während der trocknen Jahreszeit daselbst erhält, die Eigenschaft, Holz zu verkieseln; jene Verkieselungsstellen sind mit zahlreichen Splittern und ganzen Stammstücken überstreut. Nach Karsten sollen sich die Guajak-Arten, wie Zygophyllum, Citharexylon, besonders zur Verkieselung eignen.

In eine ganz andere Welt der Erscheinungen aber blickt das Auge innerhalb der fruchtbaren, der Süd-Regionen des Maracaibosees; wie dort in den trockenen Ebenen die Erde „gleich einer


  1. Vorlage: unvergleichlichrn
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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 449. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_449.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)