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ein Palmenwald an sich das Erhabenste, was man sich denken mag, so vielmehr auf einer, vom Pflanzenwuchs entblößten, von dem feurigsten Himmelsstrahl sengend umfangenen Erde. Nicht das absolut Schöne wirkt allein und mächtig ergreifend, sondern was die Empfindungen besonders über das Gewöhnliche hinanzieht, das sind jene in die Natur der Dinge und Menschen hineingelegten Contraste und die Art und Weise, wie die Kontraste aneinander gelegt und welcher Art sie beschaffen sind. Mit jenem unendlichen Wohlbehagen, mit welchem der Dürstende seine verschmachteten Lippen in die Quelle taucht, saugt das Auge jenen feucht-weichen Licht- und Wasserduft ein, der unter der Fülle des Sonnen- und Sternenlichtes auf der Spiegelfläche der Lagune liegt. In diese reiche Verschmelzung des nassen und des trockenen Elements drängt sich schroff und hart hinein das rothe Kap, von keiner Pflanze, keinem belebten Organismus bewohnt und belebt, und dennoch unter den magischen Licht- und Luftspiegelungen der Tropenatmosphäre Leben athmend und Farbentöne ausduftend, die wie Musik durch die schwingenden Lichtwellen gleiten; so erhält selbst die todte Erde unter dem Tropenhimmel Stimmung und Leben. An jenes heiße, sinnenreizende Farbenmosaik legt sich wieder besänftigend, gleichsam aufsaugend der nahe Palmenwald an.

Während man den Tag nur belebt findet in den kühlen Kaufmannsgewölben und den inneren Räumlichkeiten des Privathauses, aber Straßen, Fenster und Balkone öde und verlassen sind wie eine Dorfgasse, verschließen sich mit der Abendstunde die Gewölbe und vereinsamen die Galerien und Blumenhöfe und bevölkern sich die erschlossenen Fenster und Straßen, die geöffneten Salons und Balkone. Die ganze junge und ältere männliche Welt, deren kein geschirrtes Roß zum spielenden Paradegalopp, kein bewimpeltes Boot zum fröhlichen Ruderschlage harrt, läßt jetzt ihre körperliche Bewegung aus in einem Spaziergang auf der Muelle, durch die Straßen von Salon zu Salon. Und ob auch der Boden, auf dem man sich bewegt, wüst und öde, so legen doch Fenster und Salons eine anziehende Kraft in ihn, wie der gestirnte Himmel, der sich über eine trauernde Haide wölbt. Wer sich durch Unkenntniß oder Taktlosigkeit über Sitte und Etiquette hinwegsetzt und am Tage in das grabesstille Haus eingetreten ist und der Señora aufzuwarten begehrt, der möchte die Wandlung, die zwischen Tag und Nacht vor sich gegangen, für eine außergewöhnliche Begebenheit, und wohl nicht immer mit Unrecht, für ein Blendwerk erklären, hinter dem sich ein glänzendes Elend verbirgt. Er sah am Tage schläfrig, matt, plundrig, wohl gar armselig ein Mädchen, eine Frau im Schaukelstuhl, auf der Matte an der Erde liegen, lasch und unlustig mit einer leichten Handverrichtung beschäftigt,

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 440. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_440.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)