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schleicht am Tage durch die schattenlosen Straßen. Der durchglühte Sand strahlt ein blendendes Licht und brennende Hitze zurück, Seh- und Hautnerven werden gleich empfindlich, stechend berührt. Dazu kommt, um diesen physischen Reiz zu verstärken, der in jenen Ländern allgemein übliche, für die innere Kühlhaltung auch praktische, aber für das Auge sehr unzweckmäßige weiße äußere Anstrich der Häuser; schwache nordisch-wasserblaue Augen, welche die Natur weniger kräftig gegen den Lichtreiz angelegt, leiden mit der Zeit mehr oder minder unter solcher vibrirenden Licht- und Gluthfülle; ebenfalls schwinden alsbald die Rosen der nordischen Wangen.

Um einmal die ganze Intensität des Tropenlichtes und der senkrechten Sonnenstrahlen auf mich einwirken zu lassen, unternahm ich in der Mittagsstunde unter der Zenithsonne einen längeren Gang durch eine der breitesten, den Sonnenstrahlen geöffnetsten Straßen der Stadt. Ich stand damals noch in dem Vollgefühl jugendlicher Kraft, die sich in müßigen Experimenten gefällt und an eine Schädigung der Kräfte überhaupt noch nicht glaubt. Meine Fußspur in den Sand der Sahara abzudrücken, ward mir freilich noch nicht vergönnt, aber dennoch glaube ich annehmen zu dürfen, daß der Wüstensand Afrika’s nicht intensiver auf das Gesammtgefühl einwirkt, als der Straßensand von Maracaibo unter der Zenithsonne. Nur einen Punkt wüßte ich anzugeben, dessen Licht- und Wärmestrahlenreflexe noch peinlicher, ja entzündender auf das Gesammtgefühl, auf die äußeren Sinnesorgane, wie die von den äußeren Sinnen in Mitleidenschaft gezogenen inneren Organe gewirkt hätte: der Cabo blanco bei La Guayra. Es steigern sich die physischen Reize derartig bis zur Ueberreizung, daß das, von der äußeren Sinnenwelt abgeschlossene innere Dunkel fast ebenso feurig gefärbt, gleichsam durchleuchtet und durchflammt wird, wie die äußere Erscheinungswelt selber. Nur die enorme Transpirationsthätigkeit der Haut vermag den Organismus von dem empfangenen Uebermaß der Wärme zu entbinden und vor Verglühung zu bewahren, bis auch sie der Ueberreizung unterliegt und die Zersprengung der Blutgefäße eintritt; weil aber die Haut unter den Tropen in viel höherem Grade thätig, als im Norden, so vermag der Mensch daselbst auch eine weit höhere absolute Wärmemenge mit geringerer Beschwerde zu ertragen und auszugleichen, als hier; ein schwüler Sommertag belästigt im Norden weit mehr, als ein an Graden heißerer Tag im Süden. Wenn auch die Beschaffenheit der Atmosphäre selbst unter den Tropen dazu beiträgt, die Hitze weniger beschwerlich zu machen als innerhalb der nordischen Breiten, so trägt doch die enorme Ausscheidungsthätigkeit der Haut wesentlich zu dieser Ertragungsfähigkeit bei.

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 437. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_437.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)