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wieder in alter Kraft mit neuem Balsam füllen. Der Sammler überliefert das Rohprodukt, wie er es gewann, den Droguenhändlern, die mit demselben irgend eine oberflächliche Reinigung vornehmen und es sodann mit großem, vielleicht dem größten merkantilen Gewinn, in die überseeischen Depots absenden.

Zu dem Träger und Symbole seines Wohlstandes und seiner Intelligenz – dem Schiffe im Hafen – drängt sich der Haupttheil der Stadt Maracaibo mit dem in ihm konzentrirten Kapitale und der Bildung der Einwohnerschaft; er umfaßt unmittelbar den Hafen und den Strand der etwa zwei Leguas großen Binnenbucht; der übrige Stadttheil ist auf einer kleinen Anhöhe im Norden desselben erbaut, welche eine schöne Aussicht über den hier drei Leguas breiten See und auf das gegenüberliegende Altagracia gewährt. Die langen und breiten Straßen und geräumigen Plätze der Stadt befinden sich noch in ungepflastertem Zustande; es finden sich in dem flachen Lagunenbecken keine erratischen Blöcke oder Granitstücke, aus welchen sich das Material zur Ueberdämmung des lockern, tiefen Straßensandes gewinnen ließe; dagegen sind durch die Hauptstraßen bis zur Hafenbrücke und den Zollgebäuden Schienenstränge gelegt zur Erleichterung des Schiffsgütertransportes zwischen dem Hafen und den an jenen Straßen gelegenen großen Magazinen; nur die Trottoirs haben eine Unterlage aus Backsteinen oder makadamisirter Erde; in der Mitte der Straßen aber wühlt das Maulthier seine Hufe in den tiefen Sand oder nach heftigen Regengüssen in Schlamm und Pfützen ein.

Die Gebäude der Stadt bewahren fast ausnahmslos den geschlossenen Charakter von Privathäusern. Große glänzende Läden mit lockenden Schaufenstern, wie in der Hauptstadt Carácas, machen sich nur in geringer Anzahl bemerkbar; einen großstädtischen Charakter trägt Maracaibo überhaupt nicht, wie auch das bewegte Leben und Treiben der anderen beiden Seehäfen der Nordküste sich hier nicht wiederfindet; ja, wenn mit den frühen Morgenstunden der Markt geschlossen ist, wird die Stille der übrigen Tagesstunden in Maracaibo kaum eine Hafen- und Handelsstadt vermuthen lassen.

Carácas lebt, wie die modernen Großstädte Europa’s, bereits ebenso sehr auf der Straße, wie im Hause, nicht so Maracaibo. Jenen geschäftigen Müßiggang der politisirenden und neugierigen Flaneurs gewahrt man nicht; das schöne Geschlecht zeigt sich dem öffentlichen Auge nur ganz sporadisch, unter der Tagessonne aber gar nicht, weder in den Läden, noch auf der Promenade, noch im Sattel, ausgenommen, wie überall, in der Kirche vor dem Meßaltare. Nur ein fahlgelber, schmächtiger, nichts weniger als männlich schöner und kräftiger Männerschlag von Agenten, Zollbeamten und kleinen Spekulanten

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 436. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_436.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)