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gedeihen sie in einem durch die Irrigations-Canäle angefeuchteten Erdreich. Jedesfalls ist der Maulbeerbaum der verbreiteste Baum im Emirat, wenigstens erschien es mir so bei meinen Wanderungen in der Umgegend von Samarkand, sowie zu Pendschkent 7½ Kasch (1 Kasch = 8 Werst) östlich von der Hauptstadt, wo der Serafschan noch in einem schmalen Thalbett fließt. Pendschkent, die einzige Stadt in Türkistān, welche eine pittoreske Lage hat, liegt in einem Labyrinth von Gärten, jedoch wird hier der Maulbeerbaum fast ausschließlich seiner Früchte wegen gezogen, nicht aber zur Ernährung der Seidenraupe.

Während meiner Reise im Südwesten, 30 Werst von Samarkand, durch eine sehr angebaute mit einzeln liegenden Gehöften übersäte Gegend bemerkte ich um jedes derselben ein Bosquet von schönen Maulbeerbäumen, welche, auf meine Anfragen, die Eingeborenen nur ihrer Früchte wegen anbauen; und in Suma-Bazar, einem erbärmlichen Haufen von Schuppen, welcher während der sechs Wochentage unbewohnt, und nur während des siebenten Tages von Käufern und Verkäufern belebt ist, versicherte man mich, daß dort zur Zeit der Ernte nur eine kleine Anzahl von Cocons zum Vorschein käme. Ich muß jedoch dabei bemerken, daß ich diese Reise in Gesellschaft eines jungen Russen, den ich früher in Washington kennen gelernt hatte, und der gegenwärtig mit der Organisation der Handels-Steuer beauftragt war, unternommen hatte, und daß eine solche Persönlichkeit gewiß keinesweges geeignet war, die Eingeborenen zu richtigen Angaben über die Menge und Beschaffenheit ihrer Producte zu bestimmen. Diese Angaben widersprechen auch meinen eigenen Wahrnehmungen an den Ufern des Serafschan bis zu dem Punkte, wo derselbe aus den Engpässen heraustritt, indem dort die prachtvollen und ausgedehnten Maulbeerbaumpflanzungen vorzugsweise zur Ernährung der kostbaren Seidenraupe dienen. In Dahul fand ich bei meiner Durchreise in jedem Hause Seidenraupenzucht, und gleiches hörte ich über Jane-Kurgan in der Miankale, sowie über Dahabit, Mislan, Tschelek und andere Orte. Ich sah in diesen Gegenden die Felder mit gleich weit von einander entfernten regelmäßigen Reihen von Maulbeerbäumen besetzt, und hier fand ich auch vollständige Alleen von Maulbeerbäumen wie solche sich auch von den Thoren Samarkands aus weithin ausdehnen. Hier sah ich auch neue Anpflanzungen, welche eine brillante Zukunft versprechen, und dürften diese Thatsachen hinreichen, die allgemeine Annahme, daß die Seidenproduction in Türkistān innerhalb enger Grenzen beschränkt sei, zu widerlegen. Ueberall da, wo Blätter und Menschenhände vorhanden sind, erheben sich schnell armselige Lehmhütten,

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 414. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_414.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)