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Das erste Entgegenkommen der Koreaner war so taktvoll und gewinnend, daß ich sofort günstig für sie eingenommen wurde. Daß sie eine nicht unbedeutende Neugier an den Tag legten und manchmal zurechtgewiesen werden mußten, ist natürlich, da kaum einer von ihnen vorher einen Fremden gesehen hatte. Aber es zeigte sich bei ihnen durchweg ein Anstandsgefühl, das sie stets zu rechter Zeit von selbst mein Zimmer räumen ließ, wenn die Umstände es wünschenswerth machten, während bei den Chinesen selbst das Hinausweisen mit Worten nie hinreichend war. Dabei wird man sich Jenen gegenüber schnell eines anderen Verhältnisses bewußt, als gegenüber den Chinesen. Diese betrachten uns mit derselben Neugier, die den deutschen Kleinstädter in eine Menagerie oder eine Ausstellung von Zulukaffern führt. Sie wollen uns gesehen und befühlt, wo möglich auch ein Wort mit uns gesprochen haben; die Fütterung ist ihnen die Haupt-Attraction. Nicht so die Koreaner. Sie verließen bei unsern Mahlzeiten von selbst das Zimmer, und kehrten wieder, sobald wir damit fertig waren. Dagegen zeigten sie im Gespräch ein Interesse an uns, und suchten in unsere Gedanken einzugehen und von uns zu lernen. Mehrere von ihnen hatten auf eigenen Wunsch die Zahlwörter der deutschen Sprache schnell gelernt; ein Chinese hat mich noch niemals danach gefragt. Trotz ihrer Abgeschlossenheit zeigten sie aber auch mehr Kenntniß vom Auslande, als die Chinesen außerhalb der den Fremden geöffneten Hafenplätze besitzen. Sie kannten die europäischen Länder dem Namen nach, darunter auch Pulussu oder Preußen, und sie wußten, daß dieses an Rußland grenzt. Trotz ihrer Lernbegier erkennt man doch schnell heraus, daß bei diesen Leuten nicht blos der kalte, nüchterne Verstand herrscht wie bei den Chinesen, deren ausschließlich auf das Reale und Materielle gerichteter Sinn unser Verhältniß zu ihnen immer so indifferent erhält. Es ist bei den Koreanern in Rede und Geberde sofort ein Gemüthsleben zu erkennen, ein anziehendes sympathisches Element, das unsere Theilnahme erregt. Sie haben dies in noch höherem Grade als die Japaner, die sich darin schon so vortheilhaft von den Chinesen unterscheiden. In der Unterhaltung zeigten sie sich intelligent und geweckt, dabei von mehr männlichem und offenem Charakter als die Chinesen. Dennoch läßt sich eine gewisse Vorsicht und Scheu nicht verkennen, die aber wahrscheinlich das Resultat künstlich geschraubter socialer Verhältnisse ist, da sie mit ihrem Charakter im Widerspruch steht. Ein gutes Beispiel ihrer Vorsicht giebt folgende Begebenheit. Ich hatte einige besonders intelligente Koreaner zu einem Spaziergang verleitet, und lagerte mit ihnen unter einem Baum, in der Hoffnung, nun, da ich sie von der großen Menge entfernt hatte, recht viel von ihnen über

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 322. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_322.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)