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Vom Glauben ihrer Väter ist auch nicht einmal die Erinnerung geblieben; es würde mir sonst gewiß gelungen sein, etwas über die religiösen Anschauungen derer, die etwa in Ennedi noch Heiden sind, zu erfahren. Doch sind wohl ihre häufigen Opferfeste, die zur Erflehung von Regen und Fruchtbarkeit mit Schlachtung von Ziegen gefeiert werden, und die Sitte der Reisenden, an bestimmten Plätzen einige Datteln oder dergleichen Naturproducte als Opfer zu deponiren, ein Ueberbleibsel aus ihrer heidnischen Zeit.

Auch in Borgu und Wadjanga haben jetzt Alle den Islam angenommen; nur Ennedi bleibt in dieser Beziehung noch verdächtig.

Die äußeren Vorschriften der Religion befolgen die Tibbu Rešāde äußerst regelmäßig: Gebet, Abwaschung, Fasten, Beschneidung, Vermeidung des Genusses unreiner Nahrung, nicht correct geschlachteter Thiere u. s. w. Die einzige Sünde, welcher sie sich in weiten Kreisen überlassen, ist der Genuß gegohrenen Palmsaftes – Lagbi – (in frischem Zustande halten ihn selbst fromme Leute für erlaubt).

Die Beschneidung – kozak’inti – wird sehr spät vorgenommen; die Knaben sind oft nicht weit vom mannbaren Alter entfernt.

Den Glauben an Talismane, zauberhaften Einfluß von Koransprüchen, von besonders heiliger Hand geschrieben, die sie in wahrer Unmasse, wie schon erwähnt, an Takía, Turban, Oberarm, um den Hals in kleinen Lederfutteralen tragen (ja, ich sah die Beine der Kameele durch sie gefeit) und deren Wasserabsud sie trinken, theilen sie mit den Arabern; es handelt sich nur um einen kleinen Gradunterschied.

Zur Beerdigung ihrer Todten graben sie eine Grube, welche tiefer ist, als in der Gewohnheit der Araber und Fezāner liegt. Wenn sie das auf den Leichnam geworfene Erdreich von Zeit zu Zeit durch Steine solider machen, so habe ich zur Erklärung dieser Thatsache keinen besonderen Aberglauben vom Wiederauferstehen der Todten u. s. w., wie Vogel berichtete, in Erfahrung bringen können. Bemerkenswerth ist, daß sie keine seitliche Nische in der Gruft zur Aufnahme des Leichnams anbringen, wie die Fezāner thun.

Von der Erlaubniß der Polygamie, die ihnen der Islam giebt, machen sie einen sehr mäßigen Gebrauch. Sie haben wohl nie zwei Frauen an demselben Orte, und selbst die Verstoßung einer Frau ist ein viel selteneres Ereigniß, als in allen anderen muselmännischen Ländern. Höchstens fügen sie zu der heimischen Tibesti-Frau noch eine Gefährtin in Fezān oder Kauar, je nachdem sie ihre Verbindungen mehr hierhin oder mehr dorthin führen. Zuweilen hat allerdings

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 301. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_301.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)