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Bei Todesfällen hüllen sie den Todten in seine Matte und beerdigen ihn – jetzt auf einem vom Pfarrer eingesegneten Platz in der Nähe des Dorfes, wo ich einige einfache Kreuze bunt durcheinander stehen sah.

Kranke habe ich bei ihnen nicht gesehen, aber sehr alte Leute fand ich auch nicht unter ihnen, wohl kaum einige 70jährige Frauen: es schienen nicht einmal so alte Männer da zu sein, doch läßt sich darüber nichts Bestimmtes aussagen, da sie ja ihre Jahre nicht zählen.

Es scheint aber, als wenn das Leben so ohne alle Bequemlichkeit, das Essen ohne Salz, was nur der Capitão als Delikatesse führte, und besonders das nackte Schlafen auf oft feuchtem Boden und in den kalten Winternächten, wo der Thermometer oft bis +4° R. sinkt und es in den tieferen Gegenden zuweilen selbst reift – als wenn dies rohe Naturleben die Kräfte der älteren Leute doch überstiege und sie zu rasch aufriebe.

Daß sie sich spirituöse Getränke bereiten können, glaube ich nicht, sie sind selbst dazu zu indolent; wohl aber trinken sie, wo sie ihn nur bekommen können, sehr gern Branntwein; da sie aber zu arm sind und zu fern von bewohnten Orten wohnen, können sie sich selten diesen Genuß verschaffen. Auch rauchen sie, Männer und Frauen, sehr gern Taback, den sie aber, wie auch die kleinen Thonpfeifen, nur von den Brasilianern beziehen, obgleich Taback auf ihrem Campo fast wild wächst.

Von Musikinstrumenten habe ich außer Ochsenhörnern, auf denen sie blasen konnten, nichts gesehen; ich hatte eine einfache Jagdpfeife von Holz bei mir und als ich vor ihnen darauf pfiff, sprangen Alte und Junge wie die Kinder vor Freuden, und jeder von ihnen wollte auch darauf pfeifen, und als sie Einer nach dem Andern unter großem Jubel sich daran ergötzt hatten, ließ mich der alte Cazique bitten: wenn ich noch eine Pfeife hätte, so möchte ich ihm doch diese schenken; natürlich gab ich sie ihm sogleich bei so bescheidener Bitte.

Ihre Frauen scheinen sie nicht hart und schlecht zu behandeln, und obgleich die Frauen nicht in den Schuppen kommen durften und die ganze Last des kleinen Haushalts über sich hatten, namentlich viel Holz aus dem Walde herbeischleppen mußten, da das Feuer in ihrer Hütte Nacht und Tag nicht ausgeht, auch für die Kinder und die einfache Bereitung der Speisen sorgen mussten, so schienen doch die Frauen, namentlich die jüngeren, oft heiter und das ganze Völkchen überhaupt ein harmloses, zufriedenes, glückliches Dasein zu führen, wenn man ein solch rohes Naturleben ohne Arbeit, ohne Sorgen und ohne Gedanken ein glückliches Leben nennen darf.

Einer komischen Scene, die für die Stellung der Frauen bezeichnend

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_251.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)