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gefangen nahm und dessen ganzes Vermögen confiscirte. Doch wußte sich die Karawanencompagnie, wie es scheint, auch mit dem neuen Regiment auf guten Fuß zu stellen. Der Gedanke an die Rückkehr nach Rußland wurde jetzt lebendig, gelangte indeß, wie wir wissen, erst im März zur Ausführung, in der Richtung über die Feste Kurtka, obwohl man wußte, daß deren Commandant die Karawane nur erwarte, um sie weidlich zu zehnten. Man wußte überhaupt, daß sich die Kirgisenwelt des Ssyrt mit den abenteuerlichsten Gerüchten über den Reichthum der Karawane unterhielt, daß die naiven und phantasiereichen, aber auch beutelustigen Krieger und Hirten des Gebirges z. B. unter anderem sich erzählten, die Karawane führe einen Wunderkasten mit sich, in welchem ein goldener Baum stehe, auf dessen Zweigen eine Nachtigall sitze und Lieder singe. Die Reise mußte trotzdem durch diese Gebiete gewagt werden, und die Karawane bestand sie im Ganzen mit Glück.

Kirgisische Gastfreundschaft. Im letzten Theile seines Berichts verbreitet unser Gewährsmann sich über die politischen Beziehungen zwischen Ober- und Unterland des Syr, zwischen Chokand und den Berg-Kirgisen, ein Kapitel, aus dem wir nur Einiges hervorheben wollen, um schließlich seine Mittheilungen über die Regeln kirgisischer Gastfreundschaft wiederzugeben. Unter der Verwaltung von Kurtka, welches erst 1832 gegründet wurde, standen 3 Geschlechter aus dem Stamm der Ssajak (etwa 600 Jurten), die Tschirik (etwa 2800 Jurten), und ein Theil der Bogu (circa 1200 Jurten), außerdem Theile der Stämme Monyldyr, Bassys u. andere. Alle diese gehören dem Volke an, dem man lange Zeit so zu sagen seinen Namen entwendet hatte, um ihn fälschlicherweise einem andern beizulegen. Die genannten Genossenschaften sind eigentliche und echte Kirgisen („Krgys“ nach der eigenen Aussprache), die durchaus von den in der Tiefsteppe nomadisirenden und schon länger unter russischer Herrschaft stehenden sogenannten Kirgisen der Großen, Mittleren und Kleinen Horde zu unterscheiden sind. Die Letzteren nennen sich selbst Kaissak (oder Kasak). Die echten Kirgisen, die von den Russen Kara- oder Dikokamennyje Kirgisen, von Kalmüken und Chinesen Buruten genannt werden, und mit denen wir allein hier zu thun hatten, nomadisiren größtentheils auf den Hochsteppen des Thian-Schan vom Issyk-Kul bis südlich nach Buchara hin, vielleicht auch darüber hinaus, und sind ein kriegerischeres Volk als ihre nördlichen Vettern, die Kaissak; aber in Folge ihrer Zersplitterung erlagen sie trotzdem den Angriffen der Chane von Chokand.

Das Mittel der chokandschen Obmacht ist das bekannte divide et impera. Nur durch die Verhetzung der einzelnen Stämme und Geschlechter

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_172.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)