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bat der Akssakal sie zu Tisch, und bei wichtigen Berathungen verfehlte er nicht, auch den Karawan-Baschi mitzuberufen.

Die Karawane hatte 11 Buden in dem Ssarai „Kunak“ gemiethet, außerdem Quartiere in den Straßen Usten-Bui und Djan-Kutsche. Das Geschäft ging gut. Schon in der ersten Woche waren die Waaren größtentheils verkauft, theils gegen baares Geld, theils auf Borg, mit der Bedingung zu zahlen, wenn die Abreise stattfinde, und zwar in Silber und Gold. Einer eigenthümlichen Landessitte mußten unsere „Andschaner“ sich fügen. Obwohl die Muhamedaner der Kleinen Bucharei der Lehre des Imam Hanif anhängen, welcher temporäre Ehen verbietet, so besteht doch in Kaschgar und überhaupt in der Hexapolis von Ost-Türkistān die Sitte, daß alle Fremden, sobald die Zeit ihres Aufenthalts länger dauert, eine Ehe eingehen. Diese wird in aller Form geschlossen, und vom Bräutigam nur gefordert, daß er die Frau neu kleide. Um dem Herkommen nicht entgegen zu treten und auf Bitten ihrer Freunde entschlossen sich auch unsere Reisenden mit Einschluß unseres russischen Gewährsmannes, eine kaschgarische Fremdenehe zu schließen. Nicht minder mußten sie ihr Kostüm wechseln. Die tatarischen Mützen und Kaftans, welche sie trugen, erregten überall, wo sie erschienen, Aufsehen, daher setzten sie fortan Turbane auf, welche übrigens in Kaschgar nur von geistlichen Personen getragen werden, und zogen bucharische Kaftane an, wie es sich für echte Andschaner schickte.

Von vornherein hatte sich unseren Reisenden die Aussicht auf einen mindestens zweimonatlichen Aufenthalt eröffnet, um die völlig heruntergekommenen Pferde und Kameele (viele derselben waren ganz zu Grunde gegangen) wieder soweit herzustellen, daß sie die Rückreise bestehen könnten. Diese Zeit wollte Walichanof zu einem Ausflug nach Jarkand (er schreibt Jerkend) benutzen. Von dem Waarenvorrath der Karawane war eine Partie Juchten unverkauft geblieben; diese wollte ihr Besitzer, der Buchariot Muchsik-Ssaitof nach Jarkand schaffen und Walichanof ihn begleiten. Um nicht den Verdacht der Chinesen zu erregen, sprachen sie von ihrem Vorhaben erst kurz vor der Ausführung, erhielten mit andern Bucharioten Pässe vom Akssakal und schickten die Waare mit einem Agenten voraus. Am 22. October brach die aus 6 Personen bestehende Reisegesellschaft auf, zeigte auf einer Station zwischen Tosgun und der chinesischen Stadt dem dortigen Jusbegi die Pässe vor, und übernachtete auf halbem Wege auf einem Langar (Landgute, „Chutor“ im Russischen). Am andern Tage gelangte man um Mittag nach Janyssar. Der Weg bis zu dieser Stadt führt durch eine bevölkerte Gegend, erst kurz vor derselben stößt man auf niedrige Sandhügel. Die Pferde ließ man in

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_170.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)