Seite:Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin V 038.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Ufer erreicht, welcher als ehemaliges Hauptquartier des berühmten Räuberchefs Mohammed Cher stets eine gewisse Bedeutung in der Geschichte des Weißen Nils behalten wird. Wallartige Erdaufwürfe, umgeben von tiefen Gräben, im Innern einige Spuren von verfallenem Erdgemäuer, bezeichnen die Stätte von Mohammed Cher’s Seriba. Wahrhaft erstaunlich sind die colossalen Knochenmassen, hauptsächlich von den hierselbst geschlachteten und verschmausten Rindern herrührend, welche von weit und breit im großartigen Maßstabe zusammengeraubt worden waren und die nun theils in großen Haufen, theils endlos über die Steppe gesäet den Platz umgeben. Auch menschliche Gebeine in Menge, nebst Schädeln von Eseln und Pferden, halbverkohlt in Folge des Steppenbrandes, trifft man aller Orten an; indeß werden bei dem rapiden Stoffwechsel dieser üppigen Tropennatur wenige Jahre genügen, um auch diese letzten Reste ehemaliger Herrlichkeit spurlos verschwinden zu lassen. Die Verwitterung der Knochen im hohen Grase, bei der Heftigkeit der Regengüsse in Charif und der verzehrenden Gluth der Sonnenstrahlen während der Dürre, die durch den alljährlich wiederkehrenden Steppenbrand angerichtete Zerstörung schließlich nicht zu vergessen, ist eine derartige, daß die Schädel im dritten Jahre bereits in ihre Theile zerfallen und schon nach der zweiten Regenzeit unbrauchbar für die Sammlungen werden.

22. Januar 1869. Der Morgen wird in Hellet Kaka am rechten Ufer verbracht, woselbst die ersten festen Wohnplätze von Schilluk-Negern auf dieser Fahrt berührt werden. Die ägyptische Regierung unterhält hier eine Art Getreidemagazin, d. h. einen Stapelplatz zur Anhäufung von Durrakorn, welches von den Negern als Abgabe eingeliefert werden muß. Oberhalb dieses aus zahlreichen Hüttengruppen gebildeten Dorfes stieß die Barke mehrmals heftig auf die im Fahrwasser des Weißen Nil so häufigen Muschelbänke auf, die von einer austerartigen Muschel[1], gebildet werden und an vielen Stellen eine ungeheure Ausdehnung besitzen. Indess die ohne Gleichen solide Bauart der Chartumer Barken spottet aller Stöße und nur selten hört man von völligem Scheitern auf diesem Fluß, wo Böte von Tannenholz beim ersten Aufstoßen unfehlbar bersten würden. Die Construction aller Barken des oberen Nil ist eine höchst eigenthümliche, und ich bezweifle, ob in der Welt eine ähnliche in anderen Ländern bekannt ist. Ausschließlich das Holz der Acacia nilotica (welches weit schwerer und härter als Eichenholz ist) kommt hier beim Schiffsbau zur Verwendung, und obgleich es unter allen Hölzern der Uferwälder des Sudan das zu diesem Zwecke geeignetste zu sein scheint, so lassen sich aus den Stämmen doch nur selten Planken von


  1. Nach Dr. v. Martens Bestimmung Aetheria Caillaudi Fér.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_038.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)