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schildern. Von der Meeresfläche zum Pik aufsteigend, kann man im Allgemeinen fünf solche Gürtel unterscheiden. Die erste Zone, von der Küste bis zu 1500 Fuß Höhe, ist der heiße Palmengürtel, die afrikanische oder subtropische Region, charakterisirt durch Palmen und Bananen, Drachenbäume und Euphorbien, Cactus und Agaven, sowie durch zahlreiche andere, echt subtropische Gewächse. Die zweite Zone, der Rebengürtel, von 1500–2500 Fuß, umfaßt das gemäßigt warme, der Mittelmeerküste sehr ähnliche Culturland, auf welchem Orangen und Johannisbrodbäume, Getreide, Mais, Weinstock und edle Castanien gedeihen. Dann folgt als dritte Zone der feuchte, kühle Lorbergürtel, von 2500–4000 Fuß, die Region der immergrünen Laubwälder, in denen vier verschiedene Lorberarten, Oelbäume und Erdbeerbäume, Myrthen und Haidebäume die wichtigste Rolle spielen. Als vierte Zone erhebt sich darüber der Kieferngürtel, von 4000 bis 6000 Fuß, fast ganz aus den dichtstehenden Stämmen der canarischen Kiefer gebildet, einer kräftigen Föhren-Art, die sich durch ungemein große, 1–2 Fuß lange Nadeln auszeichnet. Endlich folgt als fünfte und letzte Zone, von 6000–10,000 Fuß, der Cumbre oder der Ginstergürtel, welcher fast allein durch zwei schmetterlingsblüthige Sträucher charakterisirt ist: weiter untern vorwiegend der Drüsenginster (Adenocarpus frankenioides), weiter oben mehr und mehr überwiegend der Alpenginster (Spartium nubigenum), welcher bis über 10,000 Fuß emporsteigt. Nur eine kleine Veilchenart geht noch 1000 Fuß höher. Die letzten tausend Fuß aber sind gänzlich von phanerogamer Vegetation entblößt.

Besonders leid that es uns, den Lorberwald bei Nacht durchreiten zu müssen, welcher noch heute mit seinen verschiedenen Lorberarten, den baumartigen Haidekräutern und dem falschen Lorber (Myrica faya) einen breiten Gürtel bildet. Ich schnitt mir darin einen jungen Lorberstamm ab, der mir nachher, beim Besteigen des Gipfels, wesentliche Dienste leistete. Der Kiefernwald, welcher noch zu Humboldt’s Zeit einen mächtigen dichten Gürtel oberhalb des Lorberwaldes, rings um den Pik bildete, ist jetzt auf der Nordseite fast ganz abgeschlagen, wie überhaupt die Ausrottung der Wälder auf den canarischen Inseln, ebenso wie in Südeuropa, in den letzten Jahrzehnten mit dem frevelhaftesten Sinne betrieben worden ist. Die traurige Folge davon, der zunehmende Wassermangel, führt hier wie dort zur Verödung der früher fruchtbarsten Landstriche. Ein großer Theil von Griechenland, Italien und Spanien ist dadurch gänzlich verödet; nicht gewarnt aber durch dieses abschreckende Beispiel, läßt leider auch unser Vaterland, und der Norden überhaupt, seine herrlichen Wälder mit jedem Jahre mehr verwüsten und ausrauben.

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_V_016.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)