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nach Süd abfiel. Nach 5 Stunden Absteigens war das Thal des Kebin erreicht, nicht weit von dem obersten Theile dieses schönen Längsspaltes. Beim Hinuntersteigen zum Kebin konnte deutlich wahrgenommen werden, wie dieser Fluß aus mehreren Gebirgsbächen entsteht, welche hauptsächlich dem Gebirgsjoch entspringen, das die Nord- und Südkette des „Trans-Ilischen“ Alatau verbindet und die Quellen des Kebin und des ostwärts laufenden Tschilik von einander scheidet. Der erste Zufluß des Kebin von der Südkette her ist der Koi-Ssu. Dem Laufe des Kebin folgten die Reisenden in dem ziemlich breiten Thale, dessen Gräser von den Heerden der Kara-Kirgisen nach den Erfahrungen des vorangegangenen Jahres nicht berührt worden waren. Die Richtung war direct westlich. Bis zur Mündung des Ak-Ssai, der von rechts in den Kebin fällt, ist das Thal vollständig waldlos, einige Alpenpflanzen, z. B. Leontopodium alpinum und Parnassia Laxmani, wachsen an den Rändern des Flusses, und unter den Millionen hier aufgeschütteter Steine Patrinia rupestris. Die Reisenden setzten auf das linke Ufer hinüber und verfolgten ihren Weg am Saume eines Fichtenwaldes, der sich nicht gerade weit den Berg hinaufzog. Kurz vor der Mündung des wasserreichen, schäumenden Aitambet-Tschoku, der von links zum Kebin fließt, gingen sie wieder auf das rechte Ufer hinüber. In der Ferne sahen sie auf der linken Seite die Mündung der Schlucht, aus welcher sich der uns schon bekannte Dürenyn-Ssu in den Kebin ergießt, und welche auf beiden Seiten mit einem breiten Streifen Fichtenwaldung umkränzt ist. Sie sollten nicht bis dahin gelangen. Der mitgenommene kirgisische Führer sah plötzlich mit immer ängstlicherer Miene aufmerksam am Boden umher. Die Europäer bemerkten hier nichts als frische Pferdespuren; aber der Kirgise behauptete nach Beendigung seiner Prüfung, daß an dieser Stelle vor etwa einer Viertelstunde eine große Baranta, über 100 Mann, der Ssara-Bagisch gerastet habe. Und richtig, nicht weit davon stieß man auf einen Haufen noch glimmender Kohlen. Die Kirgisen besitzen überhaupt, ähnlich den rothhäutigen Steppenbewohnern Nordamerikas, eine erstaunliche Fertigkeit darin, aus gefundenen Spuren zu erkennen, wann dort Menschen waren, wieviel und von welchem Stamme. Um das Zusammentreffen mit den freien Kindern der Steppe zu vermeiden, warf sich die Reisegesellschaft in die erste Schlucht der Nordkette des Alatau. Es war ein öder, wilder Querspalt, in welchem sie noch so weit hinanstieg, daß das Nachtlager in einer Höhe von etwa 8500 Fuß, sicher vor jeder Gefahr, genommen werden konnte. Ein schroffer, aus Kieselschiefer bestehender Felsen schützte vor jeder Ueberraschung. Die Nacht war hell und kalt, schon am Abend das Zelt bereift.

Am Morgen des 19. August um 7 Uhr stand das Thermometer

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Verschiedene: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Vierter Band. Dietrich Reimer, Berlin 1869, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_IV.djvu/226&oldid=- (Version vom 1.8.2018)