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Die Hauptbestandtheile[1] der Bevölkerung zwischen Tschu und Syr sind: 1) die Karakirgisen, 2) die ansässigen Bewohner von Taschkend und Chokand. Die Ersteren bewohnen das Bergland am Issyk-Kül, am oberen Syr, Tschu und Talas und dehnen sich nach Süden bis an die Quellen des Amu-Darja aus. Nördlich vom Syr haben ihre Weideplätze die weiteste Ausdehnung von O. nach W. und stoßen im N. mit dem Gebiet der Kirgisen der Großen Orda, im S. mit der ansässigen Bevölkerung von Chokand und chinesisch Türkistān zusammen. Südlich vom Syr erstrecken sich ihre Weideländer mehr von N. nach S., indem sie östlich an chinesisch Türkistān, westlich an chokandsche und bucharische Gebiete grenzen. In den Strecken nördlich vom Syr wohnen sie ferner allein und unvermischt, während ihr südliches Gebiet streifenartig von den Wohnplätzen der kriegerischen und fanatischen Berg-Ssarten, die fast nur dem Namen nach bekannt sind, durchzogen wird. Die nördlichen Karakirgisen haben unter sich keinen Zusammenhang und staatliche Ordnung, vielmehr sind sie zerspalten durch Stammesfeindschaften, in denen sich, sowie in Fehden mit der Großen Orda ihre Kräfte zersplitterten. Daher sind sie trotz ihrer kriegerischen Wildheit und der Unzugänglichkeit ihrer Gebirgs-Weideplätze leicht eine Beute theils chinesischer, theils chokandscher Herrschaft geworden. Sie stellten für Chokand besonders irreguläre Cavallerie, und schwere Tribute drückten sie. Obwohl nur unbedeutende Garnisonen sie in Schach hielten, wußten sie doch kein anderes Mittel, sich dem Druck zu entziehen, als daß sie, ein Stamm nach dem andern, in die russische Unterthanenschaft traten. Nur wenige im Quelllande des Tschirtschik und am Durchbruch des Dschumgal durch den Urtak-tau wohnende Stämme sind bis jetzt diesem Verhältniß ferngeblieben. Die Grenze zwischen den nördlichen und südlichen Karakirgisen bildet ein wilder, kaum zugänglicher Gebirgsknoten im Oberlande des Tschu und des Naryn, wo der wenig zahlreiche Stamm der Tschirik, der auch russische Oberherrschaft anerkennt, nomadisirt. Anders sind die Verhältnisse der südlichen Karakirgisen. Sie haben sich die chokandsche Halbbildung angeeignet und stehen in einer engen Verbindung mit dem Chanat, für welches sie nicht Tributpflichtige, sondern zusammen mit den Kiptschak und den Berg-Ssarten den herrschenden Stamm und den Kern der Militärmacht darstellen. Ihrer bediente sich die chokandsche Politik am Anfange dieses Jahrhunderts, um die nördlichen Stammesgenossen zu unterjochen, das Chanat von Taschkend


  1. Nach einem Aufsatz: Ethnographische Bemerkungen über das Gebiet jenseit des Tschu von S … of (Säwerzof?) in den „Iswestija,“ 1865, No. 8, p. 147 flg.
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Verschiedene: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Zweiter Band. Dietrich Reimer, Berlin 1867, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_II.djvu/99&oldid=- (Version vom 1.8.2018)