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bei den Moscheen errichtet, in welchen die Mullas, Imams und Achuns als Aerzte fungiren. Plünderung ist streng verboten. Wenn ein Dungene auf dem Schlachtfelde sich fremdes Gold, Silber, Waffen oder sonst ein Werthstück aneignet, so wird er sofort mit dem Tode bestraft, ebenso derjenige, der seinem Vorgesetzten den Gehorsam verweigert. Nach der Schlacht wird alle Beute gesammelt und an die Centralkassen abgeführt. Eine sehr strenge Strafe erleidet auch derjenige, der beim Tabak- oder Opiumrauchen und beim Weintrinken ertappt wird. Die Offiziere genießen keinerlei materiellen Vorzug und erhalten aus den Kassen nicht mehr Sold als jeder Gemeine.

Als Haupt der Dungenen gilt der oben genannte Ssochunschan, der, sehr tapfer und intelligent, die Mandschus bis jetzt überall geschlagen hat und daher trotz seiner Jugend im größten Ansehen steht. In militärischen Angelegenheiten verfügt er allein und unbeschränkt. Die Administration verwaltet ein aus den erfahrensten und berühmtesten Muftis und Achuns zusammengesetztes Collegium, welches Ssochunschan stets begleitet. Nächst Ssochunschan genießt das höchste Ansehn der alte Aji-Achun, der 15 Jahre zu Mekka im Gebet zugebracht hat und jetzt der wichtigen Ili-Provinz vorsteht.

Anfangs ließen die Aufständischen in den Gegenden, die sich ihnen unterwarfen, den mandschurischen Verwaltungsapparat mit den früheren Beamten fortbestehen, sofern die letzteren sich der neuen Autorität fügten. Bald aber stellte sich heraus, daß diese im Geheimen ihre Verbindung mit den kaiserlichen Behörden fortsetzten und ihnen die Pläne der Insurgenten verriethen. Seitdem wird mit allen Beamten nach dem kurzen Prozeß des Kopfabschneidens verfahren. Wohin die Dungenen jetzt dringen, reorganisiren und reformiren sie das Land nach ihrer Weise: alle Muhamedaner legen sogleich das chinesische Costüm ab und kleiden sich nach ssartischer (bucharischer) Art; die chinesischen und kalmükischen Tempel werden niedergerissen; alle Kinder ohne Unterschied werden in die Moscheen gebracht, um zum Islam erzogen zu werden. Chinesen, die sich dem Islam anschließen, genießen gleiches Recht wie die Dungenen; wer Buddhist bleibt, wird zum Arbeiter oder Hirten herabgesetzt. Den Frauen wird ein Glaubenswechsel nicht abgefordert.

Der Gang des Aufstandes in den inneren Provinzen Chinas ist nicht bekannt, doch scheint es, daß er im Ganzen dort weniger Erfolg gehabt hat. Dagegen befinden sich jetzt fast die ganze alte Dsungarei und das chinesische Türkestan, die Länder nördlich und südlich vom Thian-Schan, in den Händen der Insurgenten. Der Weg, den die Empörung dabei nehmen mußte, war ihr von Natur und Geschichte vorgezeichnet. Sich fortwälzend von Stadt zu Stadt, folgte sie einerseits der großen, am Nordfuße des Thian-Schan sich hinziehenden

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Verschiedene: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Zweiter Band. Dietrich Reimer, Berlin 1867, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_f%C3%BCr_Erdkunde_zu_Berlin_II.djvu/161&oldid=- (Version vom 1.8.2018)