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Wie kamen nun die beiden Hern aneinander?

Der nächste Anlaß waren einige unwichtige Xenjen des Dichters Immermann, welche Heine 1827 im II. Bande der „Reisebilder“ aufnahm. Die stärkste dieser Immermann’schen Xenjen, welche den über alle Maasen eitlen Dichtergrafen in hellste Wut versezte, lautete:

Von den Früchten, die sie aus dem Gartenhain von Schiras stehlen,
essen sie zu viel, die Armen, und vomiren dann Ghaselen.

Platen hatte kurz zuvor zwei Hefte „Ghaselen“ (Erlangen 1821 und 1824) und einen „Spiegel des Hafis“ (Erlangen 1822) veröffentlicht. Die Strofe mußte sich also wesentlich auf ihn beziehen. Auch die andere Xenje:

„Ganz bewältigt er die Sprache;“ ja, es ist, sich tot zu lachen,
seht nur, was für tolle Sprünge läßet er die Armen machen!

mußte Platen, der sich auf die Formvollendung seiner Dichterwerke, als deren wesentliches Element, nicht wenig einbildete, auf sich gemünzt halten. Am 18. Februar 1828 schrieb er seinem Freunde, dem Grafen Friedrich Fugger, der ihm Heine’s Buch mit den Immermann’schen Xenjen zugesant hatte, nach München: „Daß die Epigramme auf mich und Rückert gehen, unterliegt keinem Zweifel. Was den Juden Heine betrifft, so wünsche ich wol, daß meine Münchener Freunde (denn er ist in München) ihn gelegentlich mystifizirten, und ihn zur Rede stellten, was ihn zu dem Wagestück verleitet, einen offenbar Größeren, der ihn zerquetschen kann, so unbarmherzig zu behandeln. Er solle sich gnädiger anlassen, und meine Ghaselen, die den Beifall Goethe’s, Schelling’s und Sylvester de Sacy’s erhalten, nicht ganz verachten.“ (Nachlaß des Grafen von Platen. Leipzig 1852. Band II. p. 87-99 und: Strodtmann, A., Heine’s Leben und Werke. 2. Aufl. Berlin 1873. I. p. 572.) Heine, welcher sich damals in Italjen befand, lernte dort einen Intimus Platen’s, den Kunsthistoriker Freiherrn von Rumohr kennen, welcher ihm bereits verriet, daß er ganz Schlimmes zu erwarten habe. In der Tat, im November 1829 nach Hamburg zurükgekehrt, fand er bereits das Rachewerk Platen’s, den „romantischen Oedipus“ vor, welcher ihn gerade an seiner verwundbarsten Stelle, der jüdischen Abstammung traf. „Synagogenstolz“, „Same Abrahams“ und „Petrark des Laubhüttenfestes“, lauteten die nicht gerade sehr geschmakvollen, aber wolgezielten Pfeile seines ergrimten Gegners. Erklärlich bleibt diese Angriffsform, wenn man die selbstverliebte Eitelkeit Platen’s, welcher durch die Xenjen aufs Tiefste verlezt, in Berüksichtigung zieht. Wie groß Platen von sich selber dachte, zeigt unter Anderem, daß er sogar eine Situazjon im Leben Jesu herbeizuziehen sich nicht scheute, um seinen Dichterruhm mit dem gehörigen Nachdruck zu betonen:

„Als ihn des Bezirks Landpfleger gefragt: Sprich! Bist du der König der Juden?
Nicht leugnet Der es bescheiden hinweg, er erwiderte ruhig: Du sagst es.
Euch sagt der Poet: Das bin ich!“ (Parabase zum I. Akt des „Oedipus“).

Heine, welcher sich erst vor kurzem durch die Taufe, „das Entreebillet, in die europäische Kultur“, natürlich ohne innere Ueberzeugung, gelöst hatte, schäumte vor Wut. Der „nie abzuwaschende Jude“ brante dem deutschen Dichter auf der Seele, und ließ ihn eine empfindliche Rache nehmen.

„Gestern Morgen habe ich den Grafen Platen ausgepeitscht – schrieb er u. A. an Immermann am 17. November 1829. – Sie, Immermann, haben den Richter gespielt, und ich will den Scharfrichter spielen, oder vielmehr recht ernstlich darstellen. Der „Oedipus“ hat in Berlin nur Unwillen erregt, desto mehr wird er hier (Hamburg) von einer gewißen Klike, die mit dem Grafen steißlich einverstanden ist, sehr goutirt. Ihnen soll der dritte Teil der Reisebilder dedicirt werden, worin die Spolia opima des großen Champion der Klaßicität enthalten sind etc.“ – Nachdem aber das Buch mit der bekanten Diatribe gegen Platen, welche diese Auspeitschung enthielt, erschienen war (Reisebilder, II. Teil, Die Bäder von Lucca, Hamburg 1830), wurde ihm doch etwas Angst, und er beschließt, wie der folgende Brief zeigt, in einer späteren Gesamtausgabe die Platen’sche Episode wegzulaßen: „Wenn mal das Ganze gedruckt wird, wird auch der Herr Graf wie sich’s gebührt, aus dem Buche hinausgeschmißen. Nicht gegen ihn habe ich Groll, sondern gegen

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Oskar Panizza u. a.: Zürcher Diskußjonen. Zürich, Paris: , 1897–1900, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Z%C3%BCrcher_Disku%C3%9Fjonen_(16%E2%80%9317)_005.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)