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Gewöhnlich wird, wenn von Gerstäcker’s schriftstellerischer Thätigkeit die Rede ist, nur an seine Romane und Reisebeschreibungen gedacht; außer diesen hat er sich aber noch auf gar manchen anderen Gebieten mit Geschick und Glück bewegt. Besonders verdienen seine Jugendschriften hervorgehoben zu werden, deren Inhalt er vorerst seinen eigenen Kindern vorerzählte, ehe er sie in die Welt sendete; es ist darin eine Fülle von Phantasie und Humor neben tüchtiger pädagogischer Begabung zu finden. Auch die Jagdwissenschaft hat er zum Gegenstande mehrerer werthvollen Arbeiten gemacht. Als gemüthvollen Liederdichter lernten ihn wohl nur die nächsten Freunde kennen; es ist nicht zu zweifeln daran, daß in seinem Nachlasse sich eine große Zahl von Poesien, darunter besonders gelungene Uebersetzungen, vorfinden wird. In Witz und Humor war er der besten Einer. Er ist wohl der älteste und fruchtbarste Mitarbeiter der „Fliegenden Blätter“ gewesen, in welchen zahllose Schwänke von ihm zu finden sind. Wer erinnert sich nicht an den „Senfhund“ und ähnliche Schnurren! Ueberhaupt war er ein Meister in der Cultur des höheren Blödsinns, deren Berechtigung in Zeit und Literatur ich einmal ein besonderes Capital zu widmen gedenke. Er verstand es, selbst ernsthafte Leute zu bekehren und zur Nachahmung zu verführen, ward auch gar nicht böse darüber, wenn man ihn selber zum Stichblatt einer gutmüthigen Persiflage erkor. So ist die „Bärengeschichte“ ein Abschnitt aus einer projectirten Parodie: „Fritz Kornäcker’s wunderbare Fahrten zu Wasser und zu Land“, an deren Entwurf er selber seinerzeit den lebhaftesten Antheil nahm.

Wie ich schon oben mitgetheilt, hat sein Drama: „Der Wilderer“ kein Glück gemacht. Er durfte sich aber damit trösten, daß kein Dramatiker der ganzen Welt, weder Shakespeare noch Kotzebue, nicht Kalisch und nicht Schiller so oft seine Gestalten hat über die Bretter gehen lassen, als Gerstäcker. In Dresden führte ihn nämlich eines Tages der Zufall in die elende Markt-Theaterbude der Witwe Magnus. Was er da gesehen hat, ist in den „Fliegenden Blättern“ unter „Freischütz“,[1] „Don Juan“ und Anderem höchst ergötzlich geschildert und illustrirt. Die Directrice klagte ihm bei näherer Bekanntschaft die schlechten Zeiten und ihr Leid. Gerstäcker versprach ihr zu helfen, und schrieb das wunderbare Drama „Kuno von Eulenhorst, oder: Der geschundene Raubritter“.[2] Er schenkte es der Frau, und ihr Glück war gemacht. Denn von nun an spielte sie nichts Anderes mehr und brauchte nichts Anderes mehr zu spielen. Ich selber habe während der Dresdener „Vogelwiese“ einer Vorstellung des großartigen Meisterwerkes beigewohnt, fast erdrückt vom Publicum, welches zuletzt, wüthend vor Theilnahme und Begeisterung, brüllte: „Da capo! Noch einmal! Noch einmal schinden!“ Und das Stück wurde gespielt Tag für Tag, von Morgens Früh um 8 Uhr bis in die tiefe Nacht hinein, und alle halbe Stunde von neuem, denn länger dauert es nicht, aber auch das war noch immer zu lang für die außen wartende Menge. Wer daher sehen will, was ein volksthümliches Theaterstück ist, der besuche nur einmal das Volksfest der Dresdener


  1. Der Freischütz. Scene aus dem Dresdner Leben von F. Gerstäcker. Fliegende Blätter, Band 6, 1847, No. 136, S. 121–125 UB Heidelberg; No. 138, S. 138–141; No. 139, S. 145–148
  2. Kunibert, von Eulenhorst oder der geschundene Raubritter. Ritterschauspiel in 5 Acten und 1 Schluß. Illustrirter Dorfbarbier. Ernst Keil, Leipzig, Jahrgang 1856, No. 12, Seite 92–93; No. 13, Seite 100–101 Google
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Wilhelm von Hamm: Fritz Gerstäcker. A. Hartleben, Wien 1881, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_von_Hamm-Fritz_Gerst%C3%A4cker-1881.djvu/11&oldid=- (Version vom 1.8.2018)