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Mexico, Central-Amerika, Westindien und kehrte Ende 1868 wieder heim. Zum letztenmale habe ich ihn gesehen und flüchtig gesprochen während einer Durchreise zu Dresden in der Restauration der Brühl’schen Terrasse im Mai 1869. Im Herbst desselben Jahres zog er nach Braunschweig, den Ort seines Anfanges, der auch derjenige seines unerwarteten Endes sein sollte. Auf Ernst Keil’s, eines seiner intimsten Freunde, Veranlassung ging er 1870 als Berichterstatter mit den deutschen Heeren nach Frankreich. Dort war er aber nicht blos mit der Feder thätig, sondern widmete sich unverdrossen der Ueberbringung von Transporten, der Krankenpflege, der Sorge für die heimkehrenden Verwundeten; er war eine allgemein gekannte, verehrte Gestalt im Lager wie im Felde.

Fritz Gerstäcker’s Wesen und Bedeutung als Schriftsteller ist so oft gewürdigt worden, so allgemein bekannt, daß ich nur Weniges zur Ergänzung darüber zu äußern brauche. Vorher aber drängt es mich, noch ein paar Worte über den Menschen zu sagen. Sein Aeußeres ließ den großen Reisenden kaum errathen. Er war kaum von Mittelgröße, aber untersetzt und kräftig gebaut; an seinem Körper kein Loth überflüssiges Fleisch. Mit hellen grauen Augen blitzte er über der gebogenen Nase in die Welt; das braune Haar hing ihm, in den letzten Jahren etwas sehr geschwunden, in Locken um den kräftigen Kopf, den ein starker Vollbart umrahmte; er behauptete, sich niemals in seinem Leben rasirt zu haben. Ganz köstlich war sein Lachen mit verbissenen Lippen; Schalkhaftigkeit und Humor zuckten dann in jeder Faser seines Gesichtes. So blickt er mich denn auch an aus dem unvergleichlichen Porträt von Adolph Neumann, das die „Gartenlaube“ wiederholt gebracht.[1]

In allen Leibesübungen war Gerstäcker wohl erfahren; ein trefflicher Schwimmer, Reiter, Fechter. Daneben besaß er zahlreiche manuelle Fertigkeiten, wie sie der Pionnier der Wildniß braucht. Er war ein vorzüglicher Familienvater, ein zuverlässiger Freund, ein warmer Eiferer für alles Gute, ein abgesagter Feind des Hohlen und Schlechten. Die „Knopflochsucht“ war ihm ein Gräuel, ebenso das Titelwesen; wenn man sich einen Scherz erlauben wollte, so schrieb man an ihn: „Euer Hochwohlgeboren!“[2] Den deutschen Namen hielt er hoch und war stolz auf sein Vaterland, dessen Ruhm er in alle Zonen trug. Seine Kühnheit, sein kaltes Blut, seine Geistesgegenwart, die ihn aus hundert Lebensgefahren gerissen, waren ohnegleichen; er war aber auch ebenso beharrlich und fest, wenn es ein Ziel zu erreichen galt. Seiner werkthätigen Verwendung haben Viele, sehr Viele ihr Lebensglück zu verdanken gehabt; nicht Alle sind dankbar dafür gewesen; dies irrte ihn aber niemals. Er war wahrhaftig ein ganzer Mann! Für die deutsche Auswanderung, für Verbreitung von nützlichen Gewächsen, als Pfadfinder für Handel und Verkehr und in manchen anderen realen Richtungen hat er Bedeutendes geleistet. Für alles Gemeinnützige sprang er sofort ein; zahlreiche, häufig von schlagfertiger Entrüstung eingegebene Veröffentlichungen sind ein Zeugniß dafür.


  1. In: Geschichte eines Ruhelosen, von Friedrich Gerstäcker, 1870, Heft 16, S. 245; und Von Friedrich Gerstäcker, von Herbert König, 1872, Heft 26, S. 419
  2. Siehe auch die Artikel: Wohlgeboren und Hochwohlgeboren, Die Gartenlaube, 1862, Heft 46, S. 736; und Erklärung, Die Gartenlaube, 1865, Heft 11, S. 176
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Wilhelm von Hamm: Fritz Gerstäcker. A. Hartleben, Wien 1881, Seite 280. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_von_Hamm-Fritz_Gerst%C3%A4cker-1881.djvu/10&oldid=- (Version vom 1.8.2018)