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 Die Vorsicht sagt: mach den Anfang in gesunden Tagen des Kindes und im Sommer; die Weisheit setzt dazu: suche eine Gewöhnung zu erreichen auch für den Winter. Sie schließt: Sei kein halsstarriger Narr, weder in dem einen Stück noch in dem andern.

 Ein fernerer Punkt, in welchem Gewöhnung nothwendig eintreten muß, ist die Arbeit oder vielmehr die Beschäftigung. Nichts gewöhnt sich leichter als Müßiggang, aber auch in keinem Stück kann Gewöhnung von Jugend auf siegreicher werden als im Fleiße und in der Arbeit. Wir werden späterhin auf die Beschäftigung des Kindes weitläufiger zu sprechen kommen in anderer Rücksicht; hier an diesem Orte soll sie blos als ein Ziel der Gewöhnung kürzlich erwähnt sein. Ein Stufengang vom Leichteren zum Schwereren ist hiebei allerdings einzuhalten, nicht die Größe der Leistung, sondern daß nur etwas geleistet werde, ist das Ziel, was auch für die Kleinkinderschule unverrückt im Auge zu behalten ist.

 Mehr dürfte hier die Gewöhnung zu einem schicklichen und schönen Benehmen hervorgehoben werden. Landesbrauch und Sitte der Zeiten sind sehr verschieden, aber es gibt dennoch vieles, worüber man allenthalben übereinstimmt, daß es schicklich oder unschicklich sei, und es dürfte daher bei aller Achtung vor dem väterlich ererbten Brauch doch schon nach dieser allgemeinen Uebereinstimmung manches korrigiert und verbessert werden, was sich bei unserm guten Volke findet. Der ererbte Brauch namentlich unserer Landleute und der niedrigen Classen in den Städten ist oft geradezu unschicklich zu nennen, so daß man gegen ihn angehen muß. Man hat eine heilige Verpflichtung, die Jugend nicht bloß zum Wahren und Guten, sondern auch zum Schicklichen und Schönen zu erziehen. Es wird daher eine Kinderlehrerin vor allen Dingen die gesammte Sitte und den Brauch der Gemeinden kennen lernen müssen, in welchen sie arbeiten soll. Schon diese Aufgabe dürfte nicht allzuleicht sein, da sich die Landleute und niedrigen Stände von den ihnen überlegenen höheren zurückzuziehen und zu verhüllen pflegen. Man kann Jahrzehnte in einer Gemeinde gelebt haben,

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Wilhelm Löhe: Von Kleinkinderschulen. Gottfried Löhe, Nürnberg 1868, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Von_Kleinkinderschulen.pdf/15&oldid=- (Version vom 8.8.2016)