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Gehorsam gegen Gott, die Ehre Gottes und das Heil der Gemeinden. So hat die alte Kirche, so hat es die lutherische Kirche auch allezeit in treuem Gehorsam gegen ihren HErrn verlangt. Ihre Kirchenordnungen stimmen überein. Dazu muß sich auch, so schwer es auch dem Herzen werden will, das an völlige Beugung unter Gottes Wort nicht gewöhnt ist, jedermann jetzt noch bekennen und darnach handeln, der JEsu treu und seinen theuer erkauften Seelen hold sein will – Es ist auch etwas ganz anders, wenn eine Kirchengemeinschaft, noch von dem indifferentistischen Geiste des vorigen Jahrhunderts gefangen, blind und ganz unbefangen sich der Duldung offenbarer Irrlehrer und Lästerer freut; und was ganz anderes, wenn sich gegen dies träge Dulden Zeugnis und Opposition erhob. Wenn gezeugt, gewarnt, gebeten, ja gefleht ist – und doch die dem Worte Gottes und dem Sinne der lutherischen Kirche offen widerstrebende Praxis bleibt, ganz ohne Scheu die Gemeinschaft mit Irrlehrern und Lästerern, sogar mit Lästerern der Gottheit Christi aufrecht erhalten wird; dann rede man doch nicht von Schisma, wenn eine Minorität sich im Gehorsam JEsu der Theilnahme an solcher Schuld entzieht, bis etwa die größere Gemeinschaft sich des rechten Weges besonnen, – wenn sie damit der Wahrheit und dem unumstößlich wahren Satze, daß Lehruneinigkeit der Seelen Seligkeit gefährlich ist, das geringe Zeugnis gibt, das in ihrer Macht liegt. Bei denen kann unmöglich weder Schisma noch Häresis sein, die nach Gottes Wort lehren und nach Gottes Wort handeln, beides wäre in diesem Falle bei der Territorialkirche, so groß und zahlreich sie bliebe. So sehr Recht die schmalkaldischen Artikel (ed. Müller p. 336. f. 339. f.) gegenüber dem Pabstthum hatten; so wahrhaft seelsorgerisch erbarmend sie p. 297. f. sich des armen, verführten Volkes annahmen; so gewis kann dann die scheidende Minorität die herrlichen Stellen auf sich beziehen, wenn gleich Pfarrer Kraußold p. 2. mit den Stellen und den in ihnen angedeuteten Bibelstellen schnell fertig ist.

 Von diesem Grundsatz aus habe ich mein Votum zum Austritt gegeben; von ihm aus regelte ich mein Benehmen, regele ich es noch. – Ich kehre zurück zur Erzählung.

 Während der vier Wochen der Ueberlegung wurden mir die Stellen der Schrift, der Symbole, der Kirchenordnungen nur klarer und stärker. In einem andern Kreise theurer Freunde kam aber die Frage auf, ob man sich nicht erst noch an die kirchliche Oberbehörde um Abhilfe der Uebel wenden sollte. Es schien den Freunden so, weil sie glaubten, daß nach geschehener Sache es auch beßer Gesinnten, die wir doch nicht ärgern wollten, als ein Mangel erscheinen würde, wenn es nicht geschah. Es war schon früher in meinem nächsten Lebenskreise dieselbe Frage aufgeworfen worden. Ich meinerseits hielt dafür, daß die Antwort der Oberbehörde nicht Antwort der Landeskirche sei, wohl aber die der Generalsynode. Die Oberbehörde ist ja nur ein Theil der Landeskirche, wenn auch ausgezeichnet durch ihre Stellung im Regimente; die Synode aber ist das Organ, das immer neu aus der Wahl der Kirche selbst hervorgeht und relativ am besten ihren Sinn bezeugt. Die Oberbehörde konnte durch die confessionswidrigen

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Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/89&oldid=- (Version vom 1.8.2018)