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man allenthalben und je und je dem Grundsatze nach als nothwendig anerkannt und faktisch ausgeübt, so viel es immer möglich war. Darum hat sichs bei keinem alten Schisma gehandelt.

 Daß ehedem auch in unserer Landeskirche auf Lehr- und Bekenntniseinheit gedrungen wurde, das beweist schon die Geschichte des Superintendenten Karg, welche ich mir hier aus meinen fränkischen Reformationserinnerungen p. 170 ff. einzuschalten erlaube.

 „Zu Ansbach war kurz nach der Reformation Superintendent und oberster markgräflicher Geistlicher Georg Karg oder, wie man ihn lateinisch nannte, Parsimonius, ein Mann von bedeutendem Rufe. Dieser hatte schon um 1557 einen Streit über die Abendmahlslehre mit dem Stiftsdechant, Wilhelm Tettelbach; der Streit war nichts anderes, als ein Echo des damals allgemeinen Kampfes zwischen Lutheranern und Cryptocalvinisten; Tettelbach stand auf jener, Karg auf dieser Seite. Karg hatte eine starke Parthei gegen sich, welche von Tettelbach durch dessen vieleicht extreme Schärfe nicht abgeschreckt wurde. Man hätte denken sollen, daß Dr. Paul Ebers philippistische Gesinnung bei seinen Stammesgenossen – denn er war ja ein Franke und von Kitzingen – ein überwiegendes Ansehen haben würde: es war aber und wurde doch nicht so, selbst als Eber nach Melanchthone Tode so ziemlich das Haupt seiner Parthei wurde. Es gab Leute genug, die eben so wenig von Ebers gelehrtem Rufe, als von Kargs amtlichem Ansehen bestochen wurden, sondern fest bei der Wahrheit blieben. –
 „Derselbe Karg, von dem wir eben sprachen, kam 1567 (1563?) mit dem Stiftsprediger Kezmann in einen Streit über die Rechtfertigung. Er wollte nemlich dem leidenden Gehorsam Christi im Werke unsrer Erlösung alles, dem thätigen Gehorsam oder der Erfüllung des Gesetzes mehr nicht zuschreiben, als daß er dadurch „„ein unbeflecktes und Gott wohlgefälliges Opfer geworden sey.““ Brenz, Bidembach, Osiander, Dr. Marbach und andere straßburger Theologen, die Universität Wittenberg, die Theologen und das Cabinet in Dresden, selbst der Churfürst von Brandenburg nahmen Anstoß an Kargs Sätzen. Er wurde deshalb 1570 suspendirt und reiste nach Wittenberg. Die dortige theologische Facultät überwies ihn seines Irrtums und vermittelte eine Concordie. Die Decane und Senioren der unterländischen Diöcesen versammelten sich 42 an der Zahl, zu Ansbach, Karg widerrief und die Einigungsformel wurde unterzeichnet. Am 1. Nvbr. wurde Karg durch Dr. Jacob Andreä, der viel zu seiner Ueberweisung und Ueberzeugung beigetragen hatte, in das von ihm zuvor geführte Amt eines markgraflichen Generalsuperintendenten im Unterland wieder eingeführt. Die Concordienformel, welche aufgesezt und unterzeichnet worden war, wurde den Decanen und Superintendenten hinausgegeben und strenges Halten darauf empfohlen und befohlen. Georg von Wambach und M. Schnabel, Superintendent in Kitzingen, mußten den oberländischen Geistlichen persönlich Nachricht von dem erfolgten Frieden hinterbringen und sie zur Mitwirkung gegen alle calvinistischen und sonst irrtümlichen Lehren auffordern. Die oberländischen Geistlichen, der Generalsuperintendent Joh. Streitberger zu Culmbach, die Superintendenten (so hießen im Oberlande die Decane) Georg Thiel von Culmbach, Just. Bloch von Bayreuth, M. Andr. Pancratius von Hof und M. Friederich Stratius von Wunsiedel, deren jeder noch zwei Pfarrer bei sich hatte, nahmen am 19. April die ansbacher Concordie an. – Daß der irrende Generalsuperintendent suspendirt wurde,
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Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/87&oldid=- (Version vom 1.8.2018)