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allein, sondern auch die Katholiker aller Zeiten für nöthig erachtet haben. Cyprian im Buch de unitate ecclesiae weiß von keinem andern Episcopat, als von dem der reinen Lehre; wer vom Bischof oder der Kirche in der Lehre abweicht, der ist nicht Schismatiker, sondern bekanntlich Häretiker – und eine Kirche, die Lehruneinigkeit und falsche Predigt beharrlich duldet, macht sich nach 2. Joh. der gleichen Sünde theilhaftig und wird nach Urtheil der Schrift und alten Kirche selbst ketzerisch. Es hört der freie Wille, zu bleiben und zu gehen, auf; es kommt eine Nöthigung, sich zu scheiden. – Es mag das hart klingen, aber es findet, wie gesagt, in Gottes Wort und dem Urtheil vergangener Zeiten und anerkannter Kirchen seine Rechtfertigung.

 Die Landeskirchen weigern sich gegenwärtig solcher Reden, sie kämpfen ja um ihr Leben. Sie vergeßen aber vielleicht doch das Wort: „Wer sein Leben lieb hat, der wird es verlieren; wer es haßt, der wird es finden.“ Gleichwie der Pabst mancherlei Lehren nachsichtsvoll duldet und hauptsächlich auf den äußern Zusammenhang mit seinem Stuhle dringt; gleichwie die andern alten Kirchen sammt der anglicanischen diesen Zusammenhang mit ihrem Priesterthum über alles heben, fast die Kirche darauf bauen; so kommt nun den lutherischen Landeskirchen Aehnliches. Sie dulden falsche Lehrer und Lästerer, um nicht durch Unduldsamkeit des Bösen die Feindschaft der Bösen und deren Abfall zu erwecken. So weit dies wahr ist (denn natürlich gilt es nicht überall gleich, vielleicht auch hie und da gar nicht), wird das äußere Zusammenhalten der überkommenen Masse faktisch, wenn auch vielleicht nicht theoretisch, für höher geachtet, als Gottes Wort, Bekenntnis und Lehre. Wenn die Landeskirchen ihr Leben haßeten, wenn sie gerne geringer würden an Zahl und äußerem Gebiet, auf daß Gottes Wahrheit Bekenntnis von ihnen hätte; so würden sie ihr Leben finden: ihre thatsächliche Treue bei Ja und Nein würde die Achtung der Feinde, die Liebe und Begeisterung der Kinder, die Stärkung der Schwachen wirken und viele Herzen würden ihnen zufallen, von denen sie nun nichts geachtet werden. Nun aber lieben sie dies Leben und werden eben damit der tödlichen Uebel nicht los.

 Man kann auch allerdings sagen, die Lehre sei bei denen nicht rein, die allerlei Lehre dulden. Man ist irre in der Lehre von der Kirche, wenn man glaubt, daß falsche Lehrer in der Kirche bleiben können; der Artikel von der Kirche aber ist eben sowohl ein Glaubensartikel, als ein anderer, und zwar ein solcher, auf den fürs Leben der Gemeinde außerordentlich viel ankommt, wie es am Tage ist. Man verwechsele doch ja nicht novatianisches Dringen auf völlige Reinheit der Sitten und des Wandels aller Getauften, auf sittliche Vollkommenheit der Kirche als solcher und aller ihrer Glieder mit der durchaus nothwendigen Lehr- und Bekenntniseinheit aller zu einer Confessionskirche gehörigen Lehrer. Diese hat


    uns ist die Frage, ob Zucht überhaupt sein müße oder nicht; denn was von Zucht vorhanden ist, ist entweder nur auf Wagnis einzelner Pfarrer durchgedrungen oder vereinzelter Ueberrest alter Zeiten.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/86&oldid=- (Version vom 1.8.2018)