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Privatgesellschaften wohl nicht mehr lange der Gleichberechtigung entbehren, eine Abtheilung der lutherischen lehreinigen Kirche eines Landes bloß deshalb sich zu einer eigenen lutherischen Synode constituiren würde, weil sie es nicht für gut und recht fände, unter einem fürstlichen, etwa gar andersgläubigen Summepiscopus zu stehen; so wäre diese Abtheilung im Vergleich mit der andern unter einem Summepiscopus ruhig fortlebenden bekenntnistreuen Kirche nicht schismatisch, denn es ist kein göttlich Gebot, bei reiner Lehre unter einem und demselben menschlichen Summepiscopus zu sein. Warum sollte man denn gezwungen sein, bloß um des Regiments willen, eines unvollkommenen Regiments, eines genau genommen etwa gar dem Begriff der Kirche widersprechenden Regiments willen (denn die Kirchengemeinschaft bliebe kraft des gleichen Bekenntnisses!), eine vielleicht dem Wachsthum des innern Menschen förderlichere Verfaßung zu entbehren? – Hier von Schisma reden, bringt in die Beurtheilung vieler praktischer Verhältnisse eine üble Verwirrung. – Man kann die Scheidung vielleicht aus andern Gründen unrecht finden, aber vom Schisma her nehme man die Verwerfungsgründe nicht. Man kann einer aus größerem Complex ausgeschiedenen Gemeinde die Weißagung baldigen Endes stellen, wenn man will; man kann allerlei gegen sie aufbringen, was sie berührt, oder auch nicht; aber Schisma im alten Sinne ist eine Scheidung von einer zufällig entstandenen Territorialkirche nicht, zumal wenn man mit ihr in Kirchengemeinschaft bleibt. So etwas darf man schon sagen gegenüber einer Zeit, in welcher auch bei den Römischen und Lutheranern manche zuerst von den Donatisten verfochtenen Sätze über Kirchenfreiheit und Verhältnis des Staats zur Kirche etc. etc. zu allgemeiner Geltung kommen und den Beweis liefern, daß auch die Katholiker nicht in allem Recht hatten, worin sie gegen die Donatisten Recht behielten, daß donatistisch und irrthümlich, selbst wo diese Begriffe richtig stehen, geschweige wo unrichtig, nicht immer identisch ist.

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  Nun aber handelt es sich ja bei uns gar nicht von einer Trennung um der Verfaßung willen. Wenn Herr Professor Hofmann in einem Aufsatz der Erlanger Zeitschrift meine Aeußerungen über das Amt bespricht und verwirft (ein Gegenstand, der sicher so schnell und so bald nicht erledigt ist!) und am Ende ungefähr (ich citire aus dem Gedächtnis) sagt: „Und um solcher Ansichten vom Amte willen soll man die Landeskirche verlaßen?“ so hat er doch zu solchem Ausruf keine Ursache. Ich habe es mehr als einmal öffentlich gesagt, daß ich nicht gesonnen war, der Verfaßung wegen die Landeskirche zu verlaßen. Ich habe absichtlich in der neueren Zeit das mir allerdings in kirchlich-pädagogischem Sinn (wenn ichs so nennen darf) höchstwichtige Capitel von der Verfaßung[1] weniger betont, um falscher Deutung meiner Schritte und Worte die Gelegenheit abzuschneiden. Unsre Klage ergeht hauptsächlich über mangelnde Lehreinheit, welche letztere doch einer Kirche nothwendig ist und grundsätzlich zum mindesten aufrecht erhalten werden muß, und über mangelnde Lehr- und Abendmahlszucht, welch letztere nicht die Donatisten[2]


  1. Der Angelpunkt der Verfaßung ist das Amt.
  2. Daß Zucht sein müße, darüber waren Schismatiker und Katholiker einig; es handelte sich, so weit die Zucht beim Schisma betheiligt war, vom mehr und minder. Bei [77]
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Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/85&oldid=- (Version vom 1.8.2018)