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nicht geheuchelt; also gebe ich ihr doch auch keine Heuchelei Schuld; im Gegentheil bezeugt ja die Stelle, daß man schnell vom falschen Erstaunen über das Maß des Bekenntnisses zurückkam! Vergleiche man nun, wenn mans der Mühe für werth hält, die Stelle bei Kraußold pag. 13. (von jener bei Dr. Fikenscher nicht zu reden). Kraußold ließ die Worte „in dem von uns geforderten Maße“ mit hindrucken, wie wenn niemandem einfallen könnte, daß man eben so gut sie, wie „Heuchelei“ und „Wunder“ unterstreichen kann. – Irre ich nicht, so ist es meinem Freunde Kraußold mit meinem Schriftchen öfter so gegangen, als ichs für der Mühe werth halte, dem Leser vorzulegen.

 Nicht so, wie in diesem und allenfalls dem vorhergehenden Fall, ist es wohl mit einer andern Stelle der Beleuchtung, nemlich mit der p. 29., die Wahlordnung betreffend. Diese mag in meinem Schriftchen die bloßeste und verwundbarste sein, wie denn auch Kraußold p. 29. seiner Schrift vollen Triumph feiert. Ich glaube zwar, daß es mit dem Alter etwas anders ist, als mit der Bekenntnistreue und stimme Kraußolds Deduction nicht ganz bei. Aber ich glaube, daß man den §. 3. so auslegen kann, wie Kraußold thut; der Fehler ist, daß man ihn nicht so auslegen muß. Ist mein Gedächtnis treu, so sucht Kraußold in seiner Schrift oftmals den Resultaten der Berathungen dadurch zu helfen, daß er in deren Entstehungsgeschichte eingeht. Er ändert damit fast kein Resultat, aber er verschafft denen, welche es wollen, damit Grund zu „billigerem“ Urtheil. Nun ging mirs in dem Fall gerade durch die Entstehungsgeschichte von §. 3., die ich von mehreren Synodalen hatte erzählen hören, umgekehrt; aus ihr stammt mein schärferes Urtheil. Ich will übrigens nur wünschen, daß alle, welche die Wahlordnung anzuwenden haben, §. 3. wie Kraußold auslegen, dann ist es gut.

 Was nun den hauptsächlichsten Tadel meines Austrittsvotums anlangt, so hat man es sehr donatistisch gefunden. Ich glaube aber, daß wir im Vergleich mit den Zeiten jener ersten Schismen gegenwärtig in einem für die Sache sehr wesentlichen Punkte ganz anders dran sind. Zur Zeit eines Cyprian und hernach herrschte die schon früher entstandene Lehre von der Göttlichkeit des Episcopats. Wer von seinem Bischofe abfiel, so lange dessen Lehre rein war, zerriß ein himmlisches Band und war eben damit ein Sünder. Wir hingegen haben kein Episcopat im Sinne jener Zeit. Niemand wird wohl in seiner Liebe zum Summepiscopat leicht so weit gehen, daß er ihm eine göttliche Berechtigung zuschriebe. Unsere Territorialkirchen bestehen zwar durch die Vorsehung Gottes, aber in Anbetracht göttlichen Gebotes ist ihre Zusammensetzung eine rein zufällige. Ihr Summepiscopat, ihre fürstlichen Consistorien (Judicia ecclesiastica magistratus territoritalis. Hartmann.) bestehen lediglich jure humano. Wer sich von ihnen, falls sie und er der reinen Lehre des kirchlichen Bekenntnisses huldigten, trennen würde, wäre im Sinne der alten Kirche kein Schismatiker und gehörte nach wie vor zur Einen lutherischen Kirche, weil er bei der reinen Lehre und Sakramentsverwaltung bliebe, welche nach A. C. Art. VII. genug sind zu rechter Einigkeit. – Setzen wir nun den Fall, daß namentlich jetzt, wo die Staatskirchen aufhören und deshalb auch die kirchlichen

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Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/84&oldid=- (Version vom 1.8.2018)