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viele damit ein unmöglicher Mensch geworden bin. Auch die bayerische Landeskirche hat des keinen Schaden gehabt, obwol ich allenfalls den Titel eines „hochmüthigen Verräthers“ hinzunehmen hatte. Im Gegentheil, es hat sich in der Folge gezeigt, wie viele, bei aller Verwerfung meiner Absicht auszutreten, die gerügten Uebelstände erkannten, und es ist doch, seis auch im Gegensatz zu meinem verkehrt genannten Vornehmen, manch einflußreiches Wort zur Hebung des Nothstandes gesprochen worden. Ich wollte ja nichts, als anregen und zur Ueberlegung reizen, und das ist geschehen. Daß ichs nicht durch Darlegung einer andern Ueberzeugung konnte, ist mir leid; es lag aber in meinem Herzen nichts anders vor, als was ich gab.

 Ich bin mir wohl nicht bewußt, daß mich bei Abfaßung meines Votums Bosheit oder Leidenschaft geleitet hätte. Ich habe es unter der Demüthigung leiblicher Schmerzen und mit innerem Weh geschrieben. Habe ich unwißend dennoch mir etwas zu Schulden kommen laßen, was meine Brüder eher als ich sahen; so bitte ich den HErrn und die, welchen ich Aergernis gab, um Verzeihung. Ich hätte manches anders sagen sollen, das ist wahr. Et mihi quoque sermo meus semper displicet. Ich konnte vielleicht auch manches Wort oder Wörtchen weglaßen, was weh that und Schmerzen, vielleicht auch Aufregung und Sünde veranlaßen konnte, die zu erzeugen ich den Willen nicht hatte. Aber so ists. Wir armen Menschenkinder können bei jedem Wort und Werk voraus gewis sein, daß wir in irgend einer Hinsicht dafür Buße thun müßen. Es wird auch diese Schrift, die ich gewis nur äußerst ungern und mit dem ernstlichen Vorsatz, nichts Uebels zu thun, schrieb, kein anderes Schicksal haben, und doch wäre es längst an der Zeit gewesen, daß ich sie schrieb. – Nichts Gutes, nichts überhaupt muß thun, wer den Schatten scheut, welcher ihm überall hin folgt.

 Einen bedeutenden Fehler habe ich bei der Veröffentlichung der Schrift mir zu Schulden kommen laßen. Ich dürfte vor andern Menschen mir zuerst denselben abbitten, weil er mir am meisten schadete. Ich ließ nemlich die ganze Schrift zu unmotivirt hinausgehen. Es war ja nur ein Votum, nur meines, von niemand als mir unterschrieben. Hätte ich nun das auf dem Titel oder in einem Vorwort hervorgehoben, hätte ich allenfalls auf die Natur eines Votum aufmerksam gemacht, bemerkt, daß es für Annahme und Widerlegung gesagt war u. dgl.; so wäre ich ganz bei der Wahrheit geblieben, und die Schrift würde an Schärfe viel verloren haben. Es wurde der Schrift in Folge meines Fehlers viel mehr Schroffheit beigemeßen, als sie wohl in sich trägt. Gewis, der Nothstand, in welchem ein Pfarrer in der Landeskirche lebt, die wachsende Angst um das eigne Heil, wenn man unthätig und zu lange in solcher Seelennoth verharrt, drang mich zu reden; – nicht aber wollte ich die Unwahrheit sagen und des eigenen Herzens schwarze Galle und Farbe über die Landeskirche gießen.

 Was nun die Beleuchtung selbst anlangt, so wurde so vieles daran getadelt, daß ich unmöglich auf alles eingehen kann. Ich will gern zugestehen, daß ich nicht

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Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/81&oldid=- (Version vom 1.8.2018)