Seite:Wilhelm Löhe - Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern.pdf/77

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

steht, – aber sie ists darum, daß es nicht in der Verfaßung steht, natürlich nur desto weniger, wenn sies nicht faktisch ist, – und der Mangel verfaßungsmäßiger Bestimmungen hätte ihr unter gewissen Umständen sehr gefährlich werden können. – Ich sage das alles nicht deshalb, daß ich dem größern Theil der bayerischen Landeskirche sein aus älteren Zeiten stammendes unleugbares Recht, eine lutherische Partikularkirche zu sein, wenn sie es sein will, abstreiten möchte. Gewis, ich bin auf dem Wege des Gegentheils! Aber wer Documente fordert, muß es leiden, wenn man sie von ihm fordert, – und wenn man in Ermangelung von Documenten und andern Garantieen Garantieen sucht. Anderes aber haben meine Freunde und ich mit unsrer Petition nicht gethan. In den öffentlichen Zuständen, in den Combinationen und Vermischungen der Confessionen, unter denen wir leben, liegen keine Garantieen. Damit, daß die Generalsynode es dem Oberconsistorium überlaßen hat, das reformirte Kirchenwesen vom lutherischen auszusondern, ist auch keine Garantie gegeben. Eine Petition aber der Synode um Aufhebung der Combinationen, von der im Auslande die Rede gewesen, habe ich wenigstens nicht erkunden können. Eben so wenig liegt in der Nichtannahme des Antrags auf confessionelle Verpflichtung der obersten weltlichen Consistorialräthe eine Garantie, zumal die von Pfarrer Kraußold p. 31. gemachte Bemerkung zu dieser unbegreiflichen Verweigerung dieselbe nur schwach bedeckt und aus derselben vielmehr die Notwendigkeit der Verpflichtung als deren Ueberflüßigkeit zu folgern ist.

 Die Erzielung stärkerer Garantieen für die Kirche lutherischen Bekenntnisses in Bayern ist gewis alles Eifers werth. Unsre größten Misstände beruhen auf gesetzlichen Anordnungen; wir sind im Falle, von dem eine Satzung der letzten Leipziger Conferenz sagt, daß für ihn der Austritt aus der Landeskirche begründet ist, wenn alle Mittel der Abhilfe umsonst versucht sind. – Ich halte die Leipziger Satzung für zu eng. Ich meine, nicht auf die Quelle, aus welcher große Uebelstände in der Kirche kommen, sondern auf die Unabwendbarkeit derselben komme es an. Mag die Aufhebung der Geltung confessionellen Wesens, die Einführung confessionswidriger, den Bestand der Confessionskirche angreifender Misstände kommen, woher sie will: wenn der Schade sich nach Anwendung der nöthigen Mittel als unheilbar ausweist, dann ist es Zeit zu gehen. Ja, es kann Uebelstände geben, wie z. B. die Duldung von offenbaren Irrlehrern und Lästerern, auch wenn sie ein und anderes Mal vermahnt sind, die Belaßung derselben in der Abendmahlsgemeinschaft, – die ihrer Natur nach so sind, daß sie auf die Länge weder getragen werden können noch dürfen. Indes, es sei jene Satzung richtig oder falsch, das ist gewis, daß sie auf uns in Bayern Anwendung leidet, und darum ist es für uns, die Subscribenten der mehrerwähnten Petition so schwer gewesen, daß die Synode unsern Bitten nicht mehr Gehör schenkte, als sie that. – Wir blieben hiedurch nach wie vor in unsern Nöthen.




Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/77&oldid=- (Version vom 1.8.2018)