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zusammenzustellen, was im Concordienbuche Bekenntnis sei, einmal ausgeführt werden; so würde viel Streit entstehen, wenn die Zusammenstellung Geltung bekommen sollte, und man würde in der That erfahren, wie vieldeutig das Wort Bekenntnis sei. Sollte hingegen zusammengestellt werden, was im Bekenntnis bekennend gesagt ist; so würde zwar auch das nicht so ganz leicht sein, weil nicht allemal (Man denke an die Apologie!) das Bekennende durch eine Bekenntnisformel (credimus, docemus, confitemur) eingeleitet ist; aber man würde damit zu Stande kommen. Dort würde die Subjectivität mit ihrer Willkür, hier die Objectivität mit ihrem klaren Licht die Fackel tragen. – Ich denke, Pfarrer Kraußold hätte diesen Unterschied selbst finden sollen, statt von Luftstreichen zu reden.

 Wer sich also auf das Bekenntnis in den Bekenntnissen zu gründen behauptet, der kann recht thun und alles Vertrauen verdienen oder er kann unrecht thun und Mistrauen verdienen, je nachdem er ist. Sein Ausdruck ist vag. Wer sich hingegen zu den Bekenntnissen und zu dem namentlich bekennt, was in ihnen bekennend gesagt ist (= was Frucht der lutherischen Reformation und ihres Kampfes ist), der bekennt sich zum Resultat der Geschichte, der historischen Entwickelung. Denn die lutherischen Bekenntnisschriften sind in dem, was sie bekennen und behaupten, historisches Ergebnis des letzten bedeutenden dogmatischen Kampfes der Kirche. Sie haben sich in ihren Resultaten von allem Jammer und Streit ihrer Zeit losgeschält und stehen nun kenntlich und in schönem Glanze vor unsern Augen. Die Gründe, warum sich die Nürnberger einstmals ein eignes volumen von libris normalibus machten, sind vorbei. Drum hat sich auch die Concordia als Bekenntnisschrift im Lauf der Zeit weitere Bahn gemacht, als anfangs. Wer jetzt geschichtlich bekennen, im Zusammenhang mit dem Alterthum stehen und die Zukunft für sich haben will, muß auf der Basis der Concordie stehen, welche den Fortschritt der alten zu der neuen Zeit vermittelt. Bei dieser geschichtlichen Betrachtung hat man eine Anleitung mehr, das Bekennende in den Bekenntnissen zu finden; bei ihr findet man auch leicht die Punkte, wo eine ἐπιείκεια Statt haben muß; bei ihr bleibt man vor der oberflächlich protestantischen und starr orthodoxen Auffaßung gleichweit entfernt; bei ihr wird sich nach einigem treuen Fleiß der Diener Christi das quia und alles, worauf es sich nicht bezieht, leicht finden laßen.

 Von diesem Standpunkt aus wird man auch leicht Fragen wie diese: „Ist im kleinen Catechismus Luthers das Bekenntnis?“ überwinden können. Die Antwort ist: „Ja und Nein, wie Dus nimmst.“ Das lutherische Bekenntnis schließt mit der Concordienformel ab; vereinzelt ist der Catechismus nicht Bekenntnis, wenn er nicht im Sinne des Ganzen verstanden wird. Daß er anders verstanden werden kann, beweist die Neigung der Reformirten, auch mancher Anglicaner, ihn zu gebrauchen. Einige Worte in ihm könnte man etwa verschieden deuten; da muß das Zeugnis der ganzen Concordia, die geschichtliche Auffassung entscheiden. Die geschichtliche Auffassung ist es, von der wir behaupten, daß sie, mit der Schrift übereinstimme.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/72&oldid=- (Version vom 1.8.2018)